Deutsch ist, wenn man die gleichen Fehler mehrfach macht. Zum Beispiel Thüringen.

Als wäre das Desaster rund um die «rückgängig gemachte» Thüringen-Wahl 2018 nicht genug, probte der Thüringer Landtag am Donnerstag die Neuauflage des Schauspiels «Pfeif auf die Regeln, wenn es gegen die AfD geht».

Die Handlung: Damit die AfD als stärkste Partei nach der Landtagswahl keinen Landtagspräsidenten bekommt, wollten alle anderen Fraktionen die Geschäftsordnung ändern. Das Problem: Traditionell eröffnet der älteste Abgeordnete als Alterspräsident die konstituierende Sitzung des Landtags und lässt zuerst einen Präsidenten wählen.

Das ist in diesem Falle Jürgen Treutler (73), ebenfalls von der AfD, und er wollte aus nachvollziehbaren Gründen den Antrag zur Änderung der Geschäftsordnung nicht zulassen, denn nach der aktuellen Geschäftsordnung hat nur die stärkste Partei das Vorschlagsrecht für den Landtagspräsidenten.

Genau das wollten CDU, BSW, Linke und SPD aber verhindern. Es gab Tumulte, Buhrufe, und der CDU-Mann Andreas Bühl verstieg sich gar zu der Bemerkung: «Was Sie hier treiben, ist Machtergreifung!» – in Anspielung auf die Einsetzung der Hitler-Regierung 1933.

Auf offener Bühne den klaren Wahlsieger austricksen, die traditionellen Regeln ändern und vorführen wollen und sich gleichzeitig als «die demokratischen Parteien» bezeichnen – wenn sich jemand fragt, wie die AfD zu solcher Stärke aufsteigen konnte, dann durch solche Inszenierungen.

Der sichtlich überforderte AfD-Alterspräsident versuchte sich eher hilflos zu wehren, entzog das Wort, liess Mikrofone abschalten, und das in solchen Stunden gar nicht so «hohe Haus» wartet jetzt auf die Entscheidung des angerufenen Landesverfassungsgerichts.

Die Spielregeln vor Beginn des Spiels zu ändern, wären genau jene Willkür-Methoden, die man der AfD für gewöhnlich unterstellt. Sie werden nicht besser, wenn sie zur vermeintlichen Abwehr der AfD von den hohen Reitern des moralischen Rosses angewandt werden.

Im Hintergrund ist der Posten des Landtagspräsidenten längst Teil des Postengeschachers für eine neue Landesregierung aus Union, BSW und womöglich anderen Wasserträgern. Ohne gültig gewählten Landtagspräsidenten kann man allerdings laut Landesverfassung auch keinen Ministerpräsidenten wählen.

Läuft in Thüringen.

Ralf Schuler ist Politikchef des Nachrichtenportals NIUS und betreibt den Interview-Kanal «Schuler! Fragen, was ist». Sein Buch «Generation Gleichschritt. Wie das Mitlaufen zum Volkssport wurde» ist bei Fontis (Basel) erschienen. Sein neues Buch «Der Siegeszug der Populisten. Warum die etablierten Parteien die Bürger verloren haben. Analyse eines Demokratieversagens» erscheint im Herbst und kann schon jetzt vorbestellt werden.