Entschuldigen ist in.

Kanadas Regierungschef Justin Trudeau entschuldigt sich dafür, auf einem Kostümball im Jahr 2001 das Gesicht geschwärzt zu haben. Schlimm!

Die australische Regierung entschuldigt sich für den Umgang der Vorfahren mit den eingeborenen Aborigines. Auch schlimm!

Und der deutsche Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) zieht feierlich die Regenbogenflagge vor seinem Ministerium auf, um sich für die Diskriminierung von Schwulen vor dem Jahr 2000 zu entschuldigen. Voll im Trend!

Nun sind zumindest die letzten beiden Dinge wenigstens von Belang, die Faschingsfarbe von Trudeau ist es nicht. Allen drei Entschuldigungen gemeinsam ist, dass sie wohlfeil sind.

Sie geschahen ehedem im vollen Konsens der jeweiligen Gesellschaften, helfen den Betroffenen nicht weiter, und es ist auch völlig banal, dass Nachgeborene eine andere Sicht auf die Dinge haben als die Akteure im Kontext ihrer Zeit.

Man kann der Vorgänge durchaus würdig gedenken; um jene Entschuldigung zu bitten, die nur die Opfer den Tätern gewähren können, ist eine leere Geste der selbsterklärten Allzuständigkeit, mit der sich Nachfahren in die Schuld ihrer Ahnen einschleichen und nachträglich den Druck aus dem Lauf der Geschichte nehmen wollen. Das ist Unfug.

Aus heutiger Sicht hätte es sicher die eine oder andere Hexenverbrennung weniger geben dürfen, hätten Brandschatzungen in den Kriegen der Vergangenheit zu unterbleiben und hätte die Guillotine der Französischen Revolution öfter mal Pause machen können. Sich dafür zu entschuldigen, ist abwegig.

Um es klar zu sagen: Würdiges Gedenken und Selbstvergewisserung vergangener Irrwege können nie schaden. Wohlfeile Entschuldigungen für Dinge, die man nicht begangenen hat, ist eitles Blendwerk. Im Falle Pistorius’ geht die gutgemeinte Geste zudem auch noch im Rummel inflationärer Regenbogen-Beflaggung unter.

Aber das ist eine andere Baustelle.

Ralf Schuler ist Politikchef des Nachrichtenportals NIUS und betreibt den Interview-Kanal «Schuler! Fragen, was ist». Sein Buch «Generation Gleichschritt. Wie das Mitlaufen zum Volkssport wurde» ist bei Fontis (Basel) erschienen. Sein neues Buch «Der Siegeszug der Populisten. Warum die etablierten Parteien die Bürger verloren haben. Analyse eines Demokratieversagens» erscheint im Herbst und kann schon jetzt vorbestellt werden.