Mitte März 2023 will Finanzminister Christian Lindner (FDP) die Eckwerte für den Bundeshaushalt 2024 im Kabinett vorlegen. Die Bundesministerien wollen 70 Milliarden Euro oder 10 bis 15 Prozent mehr ausgeben, als Finanzminister Lindner geplant hat. Er weist die Wünsche deshalb zurück. Da die Verteidigungsausgaben Deutschlands im Gefolge des Ukraine-Krieges massiv ansteigen werden, steht für zivile Aufgaben weniger Geld zur Verfügung. Ausserdem müssten zu erwartende Tariferhöhungen im öffentlichen Dienst berücksichtigt werden. Deshalb kommt es wieder einmal zu einem Streit über die Mittelzuteilung.

Die Regierung hat zwar ein «Sondervermögen» in Höhe von 100 Milliarden Euro für die Nachrüstung abgesegnet, aber dieses Geld soll nicht ausreichen, die deutsche Armee zu modernisieren, und vor allem sei darin das Auffüllen der leeren Munitionslager nicht enthalten. Deshalb fordert Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) für 2024 zehn Milliarden Euro mehr für die Bundeswehr. Er wird darin von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) unterstützt.

Finanzminister Lindner ist deshalb gezwungen, an anderer Stelle zu sparen, was wiederum Vize-Kanzler Habeck wachgerüttelt hat: Er hat sich mit einem Brief aus Sorge um grüne Zukunftsprojekte wie die Einführung einer Kindergrundsicherung und Massnahmen zum Klimaschutz mit einem Brief an Lindner gewandt. Die Kinderversicherung ist ein Projekt der grünen Familienministerin Paus, wird aber auch von den Sozis voll unterstützt. Die Regeln zur Einhaltung der Schuldenbremse seien vereinbart und würden von grüner Seite nicht in Frage gestellt. Habeck schlug Lindner vor, über den Abbau umweltschädlicher Subventionen und die Verbesserung der Einnahmen zu beraten. Gemeint sind damit unter anderem die Abschaffung der Pendlerpauschale und Dienstwagen-Privilegien, die Beendigung der Mehrwertsteuer-Ermässigungen für die Gastronomie sowie Steuererhöhungen.

Medien interpretieren diesen ihnen wohl bewusst zugespielten Briefwechsel als aktenkundige öffentliche Rechtfertigung der Koalitionspartner, dass man alles unternommen habe, den Wählerwillen umzusetzen. Kommt dazu, dass Lindner nach der Wahlniederlage in Berlin, die fünfte in Serie, nun krampfhaft versucht, sich als liberaler und gesetzestreuer Finanzminister zu profilieren, um wieder etwas Terrain wettzumachen. Das Klima innerhalb der «Fortschrittskoalition» scheint vergiftet.

Lindner wundere sich, dass die grünen Ministerien die Eckwerte für den Bundeshaushalt 2024 offensichtlich nicht mehr akzeptierten, seien diese und der Finanzplan bis 2026 doch vom Bundeskabinett im März 2022 bereits beschlossen worden. Daran fühle sich das Finanzministerium gebunden. Konkret will Lindner weder an der Bundeswehr noch im Bildungswesen Abstriche machen.

Wenn die Einnahmen nicht ausreichen, um die geplanten Ausgaben zu finanzieren, muss der Bund neue Schulden machen. Die Aufnahme von neuen Krediten wird wiederum vom Grundgesetz begrenzt. Deshalb wollen die Grünen und die SPD nun auch Steuererhöhungen diskutieren. SPD-Co-Chefin Saskia Esken fordert konkret eine Besteuerung sehr hoher Vermögen und Einkommen. SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert zeigte sich ebenfalls offen für Steuererhöhungen, weil sonst die Finanzierung anstehender Aufgaben mit einer Einhaltung der Schuldenbremse 2024 unmöglich sei.

Lindner lehnt diese Forderungen ab, aber er ist innerhalb der Koalitionsregierung in der Minderheit. Da hilft auch der Verweis auf den Koalitionsvertrag wenig, in dem das Festhalten an der Schuldenbremse verankert und Steuererhöhungen für Bevölkerung und Wirtschaft ausgeschlossen wurden.