Bestatter sind keine Mörder. Nicht einmal im Schweizer Fernsehen. Sie bringen nur jene ins Krematorium oder unter die Erde, die bereits tot sind.

Bis in die achtziger Jahre des letzten Jahrhunderts wollten die Schweizer Strombarone in Kaiseraugst ein weiteres Atomkraftwerk bauen. Im Verlauf von gut zwanzig Jahren verbrannten die Unfähigen 1,35 Milliarden Schweizer Franken. Das entspricht zu heutigen Preisen 2 Milliarden Franken. Schon damals war die Atomenergie schweineteuer.

Gegen Ende der achtziger Jahre wurde dann für die Freisinnigen klar: Das Projekt kostet nicht nur zu viel, sondern lässt sich wegen des Widerstands in der Region absehbar nicht realisieren.

Ihre Idee: Kaiseraugst wird aufgegeben, und für die bisherigen Projektanten gibt es ein paar hundert Millionen Franken als Schmerzensgeld. Die Freisinnigen kontaktierten die übrigen bürgerlichen Parteien und wollten ein gemeinsames Vorgehen. Damit sie nicht als die Verräter allein im Regen stehen würden.

Ulrich Fischer, der ehemalige Direktor von Kaiseraugst, erinnert sich in seinem Buch «Brennpunkt Kaiseraugst – Das verhinderte Kernkraftwerk» an das Doppelspiel seiner Partei. Der Journalist Peter Knechtli bemerkt dazu: «. . . es offenbart auch die Frustrationsfülle, der Fischer in seinen 16 Jahren seines ungebrochen konsequenten Kampfes für die ‹Kernenergie› ausgesetzt war: von der jahrelangen Hinhaltetaktik des Bundesrates über seine Demoralisierung wegen der gegenüber den Besetzern passiven Polizei bis zu internen Kämpfen von Akteuren (wie KWK-Verwaltungsrat und BKW-Direktionspräsident Rudolf von Werdt), die vordergründig für ‹Kaiseraugst› einstanden, hintergründig aber eine eigene Agenda verfolgten.»

Leuthard und Sommaruga verfolgten die gleiche Taktik: links blinken und rechts abbiegen.

Der junge Christoph Blocher durchschaute die Ängstlichen. Er schnappte sich die Idee und stellte sich stolz als der ultimative Anti-Atom-Terminator in das politische Schaufenster. Schnelles Kopieren geht über langes Studieren.

Dies, nachdem er sich bei Helmut Hubacher abgesichert hatte. Hubacher zögerte, weil ihm die Abfindung von Hunderten von Millionen Franken vorerst einmal zu hoch erschien. Aber letztlich gewann die Einsicht Oberhand, dass Begräbnisse nun einmal teuer sind. Und dass wegen der parastaatlichen Aktionäre der Kaiseraugst AG so oder anders die Steuerzahler und Konsumenten den angerichteten nutzlosen 2-Milliarden-Schaden hätten übernehmen müssen.

Jetzt versucht uns die SVP weiszumachen, die Grünen und die Linken hätten den Bau neuer AKW verhindert. Und schon wieder ist die Rede von Geheimplänen, Diktaturen und anderem Blödsinn. Kopfweh-Rhetorik.

Ironie 1: Wenn Bestatter Blocher Kaiseraugst zum Durchbruch verholfen hätte, würden wir in diesem Winter über genügend Strom verfügen. Vorausgesetzt, es hätte genügend Kühlwasser in der Aare und im Rhein. Vorausgesetzt, unsere Rostlauben hätten im kommenden Winter keine Pannen. Wenn alles etwas surreal wird, gilt bei den Deutschen: Hätte, hätte, Fahrradkette.

Ironie 2: Real verfolgten Doris Leuthard und Simonetta Sommaruga – im Gegensatz zu Angela Merkel – die gleiche Taktik: links blinken und rechts abbiegen. Die beiden haben kein einziges Atomkraftwerk vom Netz genommen. Mühleberg wurde von den BKW aufgegeben, weil es marode war. Sie hätten es mit Handkuss an die SVP-Oligarchen verschenkt.

Leuthard und Sommaruga haben den Ausbau der alternativen Energien nicht vorangebracht. Deshalb sind wir im europäischen Quervergleich fast das Schlusslicht in Sachen neuer, erneuerbarer Energie. Miserabel und blamabel zugleich. Hätten wir auf die SVP gehört, wäre es noch etwas schlimmer.

Kurzfristig helfen nur Dieselgeneratoren, die alle Quartiere und Unternehmen vor Hackern und Blackouts schützen. Immer mehr Unternehmen haben dies begriffen und suchen verzweifelt nach solchen Maschinen. Bimex und andere Firmen profitieren von diesem Goldrausch.

Eigentlich braucht die Schweiz keinen Energie-General, denn sie hat ja den für die Landesversorgung zuständigen Korporal, Guy Parmelin. Der Weinbauer will uns in den Alpen bereits in der Phase 2 die Skilifte und Sesselbahnen abstellen.

Der Autor ist Hotelier in Brig und ehemaliger Präsident der SP Schweiz.