Frauen stehen heute alle Möglichkeiten offen. Sie haben die Freiheit, ihre eigenen Lebensentscheide zu treffen und die Modelle zu wählen, die am besten zu ihnen passen. Von der Wahl ihres Studiums bis hin zur Übernahme jedes erdenklichen Berufs haben Frauen die gleichen Möglichkeiten wie Männer. Man könnte denken, sie sollten doch zufrieden sein.

Dem ist nicht so. Untersuchungen über Jahre hinweg belegen, dass Frauen immer unglücklicher werden. Betsey Stevenson und Justin Wolfers stellten in ihrer Studie «Das Paradox des sinkenden Glücks von Frauen» (2009) fest, dass dieser Trend in allen Industrieländern zu beobachten ist. Besonders mit fortschreitendem Alter nimmt die weibliche Zufriedenheit ab. Anders als bei den Männern.

Experten erklären das Phänomen unter anderem damit, dass Frauen im fortgeschrittenen Alter mehr von Jobunsicherheit betroffen sind, auch mit Blick auf die Herausforderungen alleinerziehender Mütter. Hinzu kommt, dass die grosse Auswahl an Möglichkeiten oft zu Überforderung und Druck führt. Wir kennen es: Wenn unsere Optionen begrenzt sind, fällt es uns leichter, eine Entscheidung zu treffen. Ist die Auswahl hingegen endlos, steigt der Druck, die perfekte Wahl zu treffen, und Zweifel kommen auf. Die moderne Lebensweise führt paradoxerweise zu mehr Unzufriedenheit.

Glamouröse Ladys sind ständig auf Reisen und haben trotzdem für alles Zeit: Mann, Kinder, Selbstfürsorge.

Diese Faktoren spielen sicher eine Rolle, ich aber habe noch eine andere Erklärung. Einerseits haben wir den Einfluss von Social Media, wo uns glamouröse Ladys ein perfektes Leben vorgaukeln. Sie sind ständig auf Reisen, scheinen übermässig erfolgreich. Und trotzdem haben sie für alles Zeit: Mann, Kinder, Selbstfürsorge. Oft ist es aber nur eine Fassade. Es sind die zwei besten Minuten ihres Tages, die sie auf Instagram präsentieren. Doch viele Frauen vergleichen sich und denken, dass andere alles perfekt im Griff haben und sie selbst unzureichend sind.

Andererseits werden Frauen oft durch gesellschaftliche Erwartungen unglücklich gemacht, und zwar durch das «having it all»-Prinzip, das die Gesellschaft und der moderne Feminismus propagieren. Man redet Frauen ein, dass sie alles haben können – und alles gleichzeitig. Alles ist problemlos machbar: eine erfolgreiche Karriere, eine glückliche Familien- und Partnerbeziehung sowie persönliche Erfüllung. Die moderne Familienpolitik lässt nichts unversucht, Frauen in Karrieren zu fördern und die Doppelrolle «Mutter und Karrierefrau» als erstrebenswert darzustellen.

Und dann stellen Untersuchungen fest, dass trotz all der Führungspositionen und unbegrenzten Möglichkeiten am Arbeitsmarkt das «having it all»-Prinzip Frauen im Grossen und Ganzen gar nicht so glücklich macht, auweia. Mein Eindruck ist, dass diese idealisierten Vorstellungen von Erfolg und Erfüllung oft nicht mit der realen Erfahrung vieler Frauen übereinstimmen. Sicher gibt es jene, die alles mühelos unter einen Hut bringen und glücklich sind, aber viele scheitern dabei, diese hohen Anforderungen, auch an sich selbst, zu erfüllen. Abends kehren sie erschöpft nach Hause, sind gestresst, psychisch belastet und unzufrieden.

Gutbezahlte Positionen mit viel Verantwortung bringen zwangsläufig ein erhöhtes Arbeitspensum mit sich, vielleicht auch Pikettdienst oder Ferienunterbruch. Man kann nicht nur die positiven Aspekte, Geld, Status und Erfolg, wollen und die negativen Konsequenzen von sich weisen. Dies gilt genauso für Männer. Auch sie können nicht alles sein, erfolgreicher Unternehmer und gleichzeitig super daddy. Oft entscheiden sie sich für Ersteres, oder aber sie wählen einen weniger anspruchsvollen Job, um mehr Zeit für die Familie zu haben, mit weniger Gehalt und einem niedrigeren sozialen Status.

Es ist ein Trugschluss, zu glauben, man könne alles haben. Auch wenn man versucht, einen Mittelweg zu finden, bleibt es immer ein Kompromiss, den man mit sich selbst eingeht. Man muss irgendwo Abstriche machen, sei es bei der Karriere oder den persönlichen Interessen, um den Anforderungen des Familienlebens gerecht zu werden. Das bedeutet nicht, dass man sich zwangsläufig für ein bestimmtes Modell entscheiden muss. Aber Frauen, die sich dessen bewusst sind, dass gewisse Verzichte erforderlich sind – mit allen damit verbundenen Konsequenzen –, scheinen letztendlich zufriedener.

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