Für Autos gelten in Europa klare Vorgaben für die CO2-Emissionen. In der Schweiz dürfen seit 2021 neu zum Verkehr zugelassene Personenwagen (PW) maximal 118 Gramm CO2 pro Kilometer ausstossen – für jedes Gramm darüber muss der Importeur empfindliche Bussen bezahlen. Ab 2025 wird dieser Grenzwert deutlich auf 93,6 Gramm herabgesetzt. Ausserdem müssen Neuzulassungen die Euro-Abgasnorm einhalten, und auch hier gibt es bald eine Verschärfung: Ab dem 29. November 2026 erhalten nur noch neue PW-Modelle eine Typengenehmigung, welche die ab dann geltende Euro-7-Norm einhalten. Diese enthält nicht nur Vorschriften für die Abgase, sondern auch für andere Emissionsarten wie Reifenabrieb und Bremspartikel.

Auch Nutzfahrzeuge unterliegen diesen Vorschriften, zuweilen gelten für sie aber andere Grenzwerte. Aktuell ist bei den leichten Nutzfahrzeugen (LNF) eine CO2-Limite von 186 Gramm pro Kilometer zugelassen. Ab 2025 wird der Grenzwert auf 153,9 Gramm CO2 pro Kilometer gesenkt. Und auch diese Fahrzeugkategorie ist vom EU-Verbot von Verbrennungsmotoren ab 2035 betroffen, sofern ihr Gesamtgewicht unter 3,5 Tonnen liegt. Zudem plant die EU bereits, auch für schwere Nutzfahrzeuge harte Richtlinien zu erlassen: Ein Gesetzesentwurf sieht vor, dass Reisebusse und LKW über 7,5 Tonnen ihre CO2-Emissionen schrittweise senken müssen – bis 2040 soll der durchschnittliche Kohlendioxid-Ausstoss im Vergleich zu 2020 um 90 Prozent reduziert werden. Stadtbusse müssen ab 2035 völlig CO2-frei sein.

 

Reine E-Plattformen kommen

Wie bei den Personenwagen müssen sich die Hersteller von Nutzfahrzeugen also künftig etwas einfallen lassen, um diese Vorschriften einhalten zu können – und auch hier heisst das einfachste Rezept Elektroantrieb. Jedoch: Während sich bei den PW der Batterieantrieb durchgesetzt hat, ist das bei den Nutzfahrzeugen noch nicht so klar.

Zudem plant die EU bereits, auch für schwere Nutzfahrzeuge harte Richtlinien zu erlassen.

Leichte Nutzfahrzeuge mit batterieelektrischem Antrieb gibt es schon länger, inzwischen haben fast alle Anbieter solche Modelle im Angebot. Allerdings basieren sie auf bestehenden Baureihen mit Verbrennungsmotor, die man auf Batterieantrieb umgebaut hat. Von Grund auf als E-Fahrzeug konzipierte Modelle bringen im Vergleich dazu entscheidende Vorteile mit sich: Weil die Räder weiter aussen stehen können, da weder ein voluminöser Verbrennungsmotor noch ein grosses Getriebe benötigt werden, bieten solche auf einer E-Plattform basierende Fahrzeuge ein deutlich besseres Raumangebot. Der dadurch grössere Radstand schafft zwischen den Achsen Platz für die Traktionsbatterie – so kann die Reichweite erhöht werden. Beides ist bei Nutzfahrzeugen sehr willkommen.

 

Futuristische Designsprache

Deshalb kommen nun nach und nach Lieferwagen auf den Markt, die auf einer E-Plattform aufbauen. VW hat es mit dem ID. Buzz Cargo vorgemacht, nun ziehen andere nach. Die Hyundai-Tochter Kia hat im September an der IAA Transportation in Hannover das PBV-Konzept vorgestellt. PBV steht für «Platform Beyond Vehicle» und umfasst eine ganze Palette von E-Nutzfahrzeugen auf einer skalierbaren Plattform mit einem futuristischen Design. Wann die Koreaner die erste Serienversion auf unsere Strassen bringen, ist noch nicht bekannt.

Renault hat bereits drei rein elektrische Transporter im Angebot – nun wollen auch die Franzosen die leichten Nutzfahrzeuge auf eine reine E-Architektur stellen. Präsentiert wurde das Vorhaben mit der Studie Estafette, die optisch ebenfalls auf den Retrotrend setzt und den ersten Van der Marke von 1959 zitiert. «Der Estafette Concept ist das erste Beispiel dafür, wie elektrische Nutzfahrzeuge in Zukunft aussehen werden», sagt Philippe Divry, Chef von Flexis SAS, der neuen Renault-Tochter für elektrische Transporter. Chefdesigner Sandeep Bhambra ist gar überzeugt, dass die Renault-Studie die Art und Weise verändern werde, wie die Menschen Transporter in den Städten wahrnehmen. «Transporter werden nicht länger anonyme Formen haben: Sie werden liebenswert und ausdrucksstark und in auffälligen Pop-Farben lackiert sein.»

Auch aus China kommen E-Lieferwagen der neuesten Generation zu uns – und auch sie tragen eine futuristische Designsprache. BYD bringt mit dem E-Vali ein Modell mit einer auf Stauraum optimierten Karosserie in zwei Längen zu uns, die längere davon soll fast achtzehn Kubikmeter Stauraum bieten. Und mit dem Maxus eDeliver 5 steht ein weiterer Transporter aus China in den Startlöchern, der mit einem futuristischen Look für Aufsehen sorgen wird. Auch er baut auf einer spezifischen Elektroplattform auf und bietet somit viele konstruktionsbedingte Vorteile, die es in diesem Segment bisher nicht gab. Bei einer kompakten Länge von 4,8 Metern hat er 6,6 Kubikmeter Ladevolumen.

 

Stellantis setzt auf Wasserstoff

Der Stellantis-Konzern mit seinen vierzehn Marken setzt bei den leichten Nutzfahrzeugen neben dem Batterieantrieb auch auf Wasserstoff (H2). Auch Wasserstofffahrzeuge werden rein elektrisch angetrieben, allerdings wird der Strom dafür nicht in eine grosse Batterie geladen, sondern direkt an Bord in einer Brennstoffzelle durch die Umwandlung von Wasserstoff erzeugt. Stellantis will künftig in seinen Werken in Frankreich und Polen pro Jahr 5000 Brennstoffzellen-Fahrzeuge der Modelle Citroën ë-Jumpy und ë-Jumper, Fiat E-Scudo und E-Ducato, Opel Vivaro und Movano sowie Peugeot e-Expert und e-Boxer produzieren.

«Transporter werden nicht länger anonyme Formen haben: Sie werden liebenswert und ausdrucksstark.»

Auch bei den schweren Nutzfahrzeugen sehen Experten gute Chancen für den Wasserstoff. Zwar gibt es auch LKW mit batterieelektrischem Antrieb, Hersteller wie Daimler Trucks, MAN, Scania oder Volvo haben solche Modelle im Angebot. In der Schweiz fährt inzwischen fast jeder zehnte neu verkaufte LKW rein elektrisch. Doch der Batterieantrieb ist für schwere Nutzfahrzeuge nur bedingt interessant – denn je weiter ein Elektro-LKW fahren soll, desto grösser und damit auch schwerer und teurer muss die verbaute Batterie sein. Ideal sind Batterie-LKW in erster Linie auf kurzen Strecken, beispielsweise in der Forst- und Landwirtschaftslogistik oder für Kommunalfahrzeuge.

Für alle schweren Nutzfahrzeuge, die längere Strecken bewältigen müssen, ist der Brennstoffzellenantrieb eine spannende Lösung. Der gasförmige Wasserstoff nimmt in den Drucktanks zwar mehr Platz ein als der Treibstoff in LKW mit Dieselmotor, ist aber gleichzeitig platzsparender und leichter als die riesige Traktionsbatterie in einem LKW mit Akkuantrieb. Schwere Nutzfahrzeuge mit Wasserstoffantrieb sind bereits in kleiner Stückzahl auf unseren Strassen unterwegs. Ein Schweizer Pilotprojekt von Hyundai wurde allerdings wegen der in die Höhe geschnellten Energiepreise wieder gestoppt.

 

«Die H2-Trucks kommen jetzt»

In Kalifornien, wo die Behörden ein Verbot für neue LKW mit Verbrennungsmotor ab 2036 erlassen haben, locken für Wasserstofflastwagen hohe Förderbeiträge. Wer dort einen neuen H2-Truck kauft, kann nicht nur von 40 000 Dollar an Steuerrabatten aufgrund des «Inflation Reduction Act» profitieren, sondern zudem auf hohe staatliche Subventionen hoffen. Einige Brancheninsider sind daher überzeugt, dass sich diese Antriebsform langfristig durchsetzen wird. «Der Durchbruch der Wasserstofftechnik ist nicht mehr eine Frage des Ob oder Wann», sagt etwa Bosch-Manager Matt Thorington. «Die H2-Trucks kommen jetzt.» Ob sie sich auch bei uns durchsetzen, wird von der Preisentwicklung des Wasserstoffs sowie von den gesetzlichen Vorgaben abhängen. Denn: Wie bei den Personenwagen ist auch bei den Nutzfahrzeugen bezüglich Emissionsvorschriften noch nicht das letzte Wort gesprochen.