Auch wer nach Bordeaux reist, um einen neuen, elektrischen Kleintransporter probehalber zu fahren, kommt am bestimmenden Thema dieser mittelgrossen französischen Stadt nicht vorbei. Auf den Transporter komme ich gleich zurück. Als Erstes ging ich nach meiner Ankunft aber zu Fuss zur Cité du Vin – eine Art moderne architektonische Kathedrale mit eindrücklichem Turm, die dem Wein gewidmet ist.

Im «Latitude 20», einer spektakulären, kreisrunden Weinbibliothek mit 14 000 Flaschen aus siebzig Ländern, geht es zunächst einmal um Bordeaux. Die Stadt und der Wein sind ja Synonyme, was alleine schon die kulturelle Bedeutung der Reben in der Gegend veranschaulicht. Nach einem Probeschluck eines Château Petit Val der Familie Alloin aus dem Jahr 2016 und einem weiteren eines 2017ers aus Margaux (Château La Gurgue) bin ich ganz auf Bordeaux eingestimmt.

Das Zauberhafte am Journalismus, finde ich, ist die Möglichkeit, Ausflüge in Welten zu machen, die einem sonst nicht zugänglich wären. Man darf bloss nicht den Fehler machen zu meinen, man sei deshalb Teil dieser Welt. Nach der sensorischen Akklimatisation an den Bordeaux am Abend davor simuliere ich am nächsten Tag in einem völlig anders gelagerten Szenario für ein paar Stunden und Kilometer das Leben von Malern oder Elektrikern oder sonst jemandem, dessen Arbeitsfahrzeug ein Kleintransporter wie der Renault Trafic E-Tech electric sein könnte.

Natürlich weiss ich nichts über das (Arbeits-)Leben als Maler oder Elektriker, mein eigenes handwerkliches Talent ist – abgesehen von gewissen Tätigkeiten in der Küche – von erschreckender Bescheidenheit. Mir bleibt bloss die Vorstellung, wie es als Malermeister oder «Stromer» wäre, in einem elektrischen Trafic frühmorgens zum ersten Kunden loszufahren oder die gleiche Baustelle wie die vergangenen drei Wochen erneut anzusteuern.

 

2,4 Millionen Trafic

Die Simulation versuche ich aus der erhabenen Position, die einem das Steuer des Trafic ermöglicht, umgeben von einer ebenso unverwüstlich wie praktisch wirkenden Cockpit-Landschaft. Einzig der etwas gar rustikal geratene Getriebewahlhebel wirkt nicht vollends überzeugend.

Man darf als Journalist bloss nicht den Fehler machen, zu meinen, man sei Teil dieser Welt. Mit dem Trafic Van E-Tech electric komplettiert der französische Traditionshersteller Renault sein Angebot an leichten, vollelektrischen Nutzfahrzeugen mit einem vielseitigen praktischen Modell. Seit 1980 hat Renault 2,4 Millionen Trafic verkauft und spricht durchaus zu Recht von einer «Erfolgsgeschichte». Die neuste Generation ist vollständig elektrisch, bei Batterie und E-Maschinen kann der Konzern auf bewährte Komponenten zurückgreifen, die auch in Modellen wie Zoé oder Kangoo Van E-Tech eingesetzt werden.

Für einen Maler oder Elektriker – jedenfalls in meiner Vorstellung – ist das eine gute Nachricht. Bei allen Einschränkungen und unbeantworteten Fragen im Zusammenhang mit der Elektromobilität gibt es gleichzeitig kaum Zweifel daran, dass ein E-Transporter für den privaten und beruflichen Alltagseinsatz in fast jeder Hinsicht angenehmer, praktischer und entspannter ist als ein vergleichbares Modell mit Benzin- oder Dieselmotor. Schon auf den ersten Metern auf einer nicht besonders fein asphaltierten französischen Landstrasse erweist sich der Trafic E-Tech electric als äusserst angenehmes Arbeitswerkzeug.

Der leise, vibrationsfreie Antrieb, die butterweiche, nahtlose Beschleunigung und auch das Gewicht der 52-kWh-Batterie im Fahrzeugboden vor der Hinterachse machen das Fahren ausgesprochen angenehm. Das leicht erhöhte Gewicht des Vans sorgt für eine gute Strassenlage, die auch bei höherem Aufbau beibehalten werden kann. Die in diesem Zusammenhang entscheidenden Parameter sehen wie folgt aus: Der Trafic ist in zwei Längen (5,08 oder 5,48 Meter) und zwei Höhen (1,967 und 2,498 Meter) erhältlich. Die Ladekapazität reicht dabei von 5,8 bis 8,9 Kubikmeter sowie bis zu 4,15 Metern Länge der Ladefläche. Die Anhängelast erreicht bis zu 920 Kilogramm, bis zu 1,4 Tonnen können geladen werden. Und schliesslich ist auch eine Pritschenversion des Fahrzeugs erhältlich, was die Aufbaumöglichkeiten der Karosserie schier unendlich und für fast jeden gewerblichen Zweck möglich macht.

Um meine Fahrt etwas realitätsnaher zu gestalten, führe ich eine Europalette mit einer Ladung von 300 Kilogramm mit mir, während ich nach einer unerwarteten Strassensperre auf einem Weg lande, der mich durch ein romantisches Wäldchen an den Fluss Garonne führt. Es ist beruhigend, wenn sich tradierte Klischees als durchaus realitätsnahe Wahrheiten herausstellen. Die Fahrt ist in diesem Moment so, als würde ich in Echtzeit durch die französische Geschichte navigieren. Auf der rechten Seite der träge, ockerfarbene Fluss, auf der linken wechseln sich Châteaus und Bauernhöfe ab, und ich rechne damit, jederzeit eine Pferdekutsche überholen zu müssen, in der eine Comtesse zu einem Rendezvous unterwegs ist.

Es ist beruhigend, wenn sich tradierte Klischees als realitätsnahe Wahrheiten herausstellen. Das zusätzliche Gewicht schmälert den Fahrkomfort keineswegs, dank dem jederzeit zur Verfügung stehenden Drehmoment von 240 Newtonmetern, das die 90-kW-Elektromaschine bereitstellt, fühlt sich Beschleunigen erstaunlich leichtfüssig an. Dies ist für das flüssige Vorankommen entscheidend. Wäre ich Malermeister oder Elektriker, würde ich ja gerne als speditiver Dienstleister wahrgenommen werden wollen.

Davon bin ich gerade sehr weit entfernt, vielmehr fahre ich nun gewissermassen durch die grosse Tradition des französischen Weins. «Château Margaux» steht auf einem Wegweiser, während ich ein pittoreskes Weinbaudorf nach dem anderen passiere. Das Château gehört zu den renommiertesten Weingütern der Welt, seit dem Jahr 1855 trägt es den Titel «Premier Grand Cru», so etwas wie die höchste Qualitätsstufe auf diesem Gebiet.

Bei Elektrofahrzeugen hat sich wiederum die Reichweite als eine der zentralen Grössen etabliert, was zwar je länger, je mehr eine vernachlässigbare Grösse wird, aber immer noch eine der wichtigsten Fragen potenzieller Kunden ist. Im gewerblichen Betrieb spielt dies eine noch kleinere Rolle als für die private Nutzung. Zum einen operieren die meisten Handwerker in einem vornehmlich lokalen oder regionalen Umfeld und fahren in der Regel nur kurze Strecken auf der Autobahn, wo besonders viel Energie gebraucht wird. Zum anderen ist die Ladeinfrastruktur mittlerweile so gut ausgebaut, dass bei Bedarf fast überall ein paar Kilowattstunden Strom nachgeladen werden können.

 

Sanfte Bremswirkung

Der Renault Trafic E-Tech electric kommt gemäss WLTP-Norm auf 297 Kilometer Reichweite, bei meiner Bordeaux-Tour erweisen sich rund 230 Kilometer als realistische Grösse, was aber natürlich stark vom Fahrzeuggewicht und der Fahrweise abhängt. Der Trafic ermöglicht mit etwas Gefühl ein sehr feines «One Pedal Drive». Nimmt man den Fuss vom Gas, bremst der Kastenwagen durch die Rekuperationswirkung sanft, während gleichzeitig Energie zurückgewonnen wird. Dadurch ist gerade im Ortsverkehr eine ebenso angenehme wie sparsame Fahrweise möglich.

Wenn ich nicht irgendwann diese zauberhafte Landschaft wieder hätte verlassen müssen, wäre ich im Trafic am liebsten einfach so lange weitergefahren, wie es die Akkus möglich gemacht hätten.