Michael Formanek Elusion Quartet: As Things Do. Intakt CD 399

Erst einmal baut Michael Formanek mit seinem exzellenten Quartett (Tony Malaby am Tenor- und Sopransaxofon, Kris Davis am Piano, Ches Smith am Schlagzeug) auf seiner neuen CD eine Mauer auf. Der Opener «Bury the Lede» ist eine ziemlich wilde kollektive Free-Explosion mit expressiv hymnischen Eindringlichkeiten von Malaby, eine Art Beschwörung des späten John Coltrane. Über brodelnden Wassern euphorischer Glanz. Durch dieses mit einigem Pathos vibrierende Durch-Nacht-zum-Licht-Furioso (das Quartett klingt ganz ohne elektronische Tricks wie eine grosse Band) müssen wir erst mal durch, um in der Folge feiner dosierter Genüsse teilhaftig zu werden. Zunächst einer geradezu altväterisch swingenden Retrospektive mit dem passenden Titel «Rewind». Sie erinnert uns daran, dass der Mann aus San Francisco, geboren 1958 und zweifellos einer der grossen Kontrabassisten des heutigen Jazz, als Instrumentalist wie als Komponist und Bandleader nicht nur eine herausragende Figur der sogenannten Free Music ist, sondern gleichsam ein lebendes Beispiel für die Unteilbarkeit guter Musik. In seinem Fall des historischen Jazz und der Avantgarde. Hatte er doch im Lauf seiner Laufbahn auch mit Musikern wie Freddie Hubbard, Joe Henderson, ja sogar Stan Getz zusammengearbeitet.

Nicht, dass dies insgesamt ein swingendes oder konventionelles Jazz-Album wäre. Hier wird über freien und ziemlich komplexen rhythmischen Strukturen mit feiner Nadel interaktiv an vielen Texturen gestickt. Diese Musik ist enorm vielseitig und reich an Kontrasten, Formaneks thematische Vorgaben sind allesamt einleuchtend und überraschend zugleich. Vor allem haben sie das Potenzial, die Partner zu spannenden Weiterungen, Verdichtungen, Widersprüchen zu verführen, kurz: dazu, Stücke gewissermassen gemeinsam fortzuschreiben. So ist hier, einmal mehr, zuweilen kaum auszumachen, was vorbedacht und was spontan erfunden ist. Spannende Zwiegespräche münden unerwartet in Unisono-Passagen (und umgekehrt). Voraussetzung dieser eindrücklichen Entfaltung individueller Brillanz und ihrer Summierung zum Kollektiv ist die jahrzehntelange Vertrautheit der vier Beteiligten.

Am Ende steht, eine Art Quintessenz nach aller hochgespannten und scharf gedachten Musik, ein wunderbar einfaches kleines Stück. Es trägt den schönen Titel «Gone Home».