Häufig stelle ich sie mir als zarte Gänseblümchen auf einer schönen Wiese vor. Gut möglich, dass diese Frauen dem trendigen Vorwurfswort «Mansplaining» zum Durchbruch verholfen haben. Es steht dafür, wenn ein Mann einer Frau etwas erklärt – zu einem Thema, das sie bereits kennt. «Überheblich», «herablassend», «beleidigend», meinen sie dann, sehen sich als dumm abgestempelt, herabgewürdigt. Als Opfer von männlichem Verhalten.
Zweifellos existieren Männer, deren Erklärersyndrom auf Herablassung beruht. Oft aber wird Mansplaining als Vorwurf erhoben von Leuten, die, Achtung!, Männer nicht verstehen. So etwa beschreibt es Andrew G. Thomas in Psychology Today. Darin mansplained uns (sorry, der musste sein) der evolutionäre Psychologe, dass die «oft leichtfertig erhobene Anschuldigung des Mansplainings» nicht nur gegengeschlechtliche Freundschaften behindern könne, sondern man ignoriere damit auch etwas Grundlegendes der männlichen Kommunikation und wie Männer Beziehungen pflegen.
Laut Thomas bauen Männer gleichgeschlechtliche Freundschaften anders auf als Frauen, eher durch wissensgetriebene Gespräche ohne emotionale Elemente. «Männliche Gespräche können von Wissensaustausch und Empfehlungen zu Dingen dominiert werden: Statistiken über Sportstars, Lösungen für misslungene Heimwerkerprojekte, Routen für lange Autofahrten.» Es würden oft einfach Fakten austauscht, die gewählten Gesprächsthemen seien eher systematischer Natur. Frauen hingegen neigten dazu, in Gesprächen Emotionen und Menschen zu thematisieren.
Oft wird Mansplaining als Vorwurf erhoben von Leuten, die Männer nicht verstehen.
Seine Twitter-Umfrage bestätigte die Befunde: «Worüber sprechen Sie mit gleichgeschlechtlichen Freunden am meisten?», fragte er die Teilnehmer. Zur Auswahl standen «Wissen» oder «Gefühle». Bei den Frauen sagten 58 Prozent, dass Gefühle den Schwerpunkt ihrer Gespräche besser widerspiegelten. Bei den Männern nannten 93 Prozent Wissen als Hauptfokus ihrer Gespräche. Natürlich ist das keine wissenschaftliche Studie, und bevor Schnappatmung aufkommt: Auch emotionale Themen können Wissen transportieren. Die Umfrage decke sich laut Thomas jedoch mit den altbekannten Ergebnissen zu Systematisieren und Empathisieren.
Nun kann man diesen Gesprächsstil selbstverständlich dem Mann vorwerfen, ihm schlechte soziale Fähigkeiten oder einen Mangel an emotionaler Intelligenz attestieren. In einer heute feminisierten Welt können Männer sowieso nicht allzu viel richtig machen – und Frauen nichts falsch. Man kann, eingehüllt in weiblicher Voreingenommenheit, die schlimmstmögliche Absicht hineininterpretieren; dass Herren im Erklärermodus mit Frauen absichtlich herablassend umspringen, kann diesen Stil als Instrument zur Machtausübung definieren (wie es manche tun), sich als Frau hartnäckig gedemütigt fühlen.
Wie schön, dass es für die kultivierten Genderexpertinnen immer auch eine Alternative gibt. Denn man könnte eben auch anerkennen, dass biologische Unterschiede zu unterschiedlichem Verhalten führen, etwa im Kommunikationsstil, und versuchen, Verständnis für diese aufzubringen, solange sie im Rahmen bleiben, anstatt sie zu verteufeln. Es liegt in der Natur des Menschen, dass er von sich auf andere schliesst. Frauen mögen offenbar in Gesprächen mehr Emotionen und weniger Wissensaustausch – wobei ich mich hier dezidiert nicht einschliesse – und erwarten automatisch vom Gegenüber, dass er das nicht nur erkennt, sondern den entsprechenden Stil auch anwendet. Man könnte diese Erwartungshaltung auch als absolute Selbstbezogenheit sowie als Unwille deuten, bestimmte biologische Verhaltensweisen zu verstehen.
Ich möchte wirklich kein feministisches Männerbild zum Wackeln bringen, aber könnte es sein, dass ein Mann sich eigentlich bemüht, ein nettes Gespräch zu führen, dies jedoch einfach auf seine gewohnte Art tut? So, wie er zeit seines Lebens Freundschaften mit Männern aufgebaut hat? Und um die Schieflage auszugleichen, möchte ich noch einwerfen, dass auch Männer gefestigte Nerven benötigen bei so manchem weiblichen Gesprächsstil mit Hang zur Dramatik und Überempfindlichkeit. Nur reagieren sie nicht jedes Mal im Gänseblümchenstil.
Auf den Moment, in dem sich die Geschlechter statt als Gegner wieder vermehrt als positive Ergänzung sehen, warte ich, ganz weiblich, mit grosser Sehnsucht.
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