The Jazz Art Sextet: Don’t Look Back. HGM (Home Grown Music) CHJ.9401

Der Titel der CD wirkt auf den ersten Blick, aufs erste Zuhören hin ziemlich paradox: «Don’t Look Back». Ohne biblische Anspielungen (Lots Frau) oder welche auf die griechische Mythologie (Orpheus und Eurydike): Dass mit dem Blick zurück ein Verhängnis verbunden sei, ist ja auch so etwas wie eine schon im Wortsinn enthaltene Maxime der Avantgarde. Zumal im Jazz.

Die Gruppe, die sich The Jazz Art Sextet nannte, unter der Leitung von Vince Benedetti, dem längstjährigen grossen alten Mann unter allen «Americans in Switzerland», ist in doppelter Hinsicht ein «historisches» Unternehmen. Zum einen wurde ihre CD vor einem guten Vierteljahrhundert aufgenommen, und zum anderen orientiert sich dieser Jazz am Hardbop der fünfziger und sechziger Jahre. Schon in der Formation, drei Bläsern mit Rhythmusgruppe: mit Benedetti selbst an der Posaune (den Sitz an seinem Hauptinstrument, dem Piano, überlässt er dem jungen Andreas Erchinger), dem Tenorsaxofonisten Mathias Baumann, dem Drummer Matthias Kuert und Peter Frei am Bass (in mehrfachem Sinn ein Anchorman nicht nur dieser Art Jazz). Die dritte Stimme in der Frontlinie ist einer der Gründerväter des Schweizer Jazz nach 1945, der Trompeter Umberto Arlati, geboren 1931 in Olten und gestorben daselbst 2015. Abgesehen von Benedetti selbst, von dem sechs der acht Stücke der CD stammen, ist er der Protagonist des Albums. Es gibt von ihm wenige Tonaufzeichnungen, und so ist dies eine Art Denkmal für den «Miles Davis von Olten» (J.-E. Berendt). Sein glanz- und seelenvolles Spiel zeichnet sich durch gleiche Qualitäten aus wie Benedettis Arrangements: durch eine gleichzeitig vitale und zurückhaltende, warme, in sich logische und nachdrückliche «Klassizität», die, halten zu Gnaden, mehr an Vorbilder wie Clifford Brown, Kenny Dorham oder Johnny Coles erinnert als an Miles.

Auch Benedetti, dessen langjährige pianistische harmonische Finesse die melodische Eindringlichkeit des Posaunisten unterfüttert, ist das Gegenteil eines Showmans und Selbstinszenators (sein Stück «Hymn to Us» widmet er Jazzmusikern, «who keep to their artistic convictions», entgegen allen modischen Trends). «Klassik» meint auch im Fall dieses schönen Albums nicht überkommene Konvention, sondern in unsere Gegenwart belebte Tradition. So gesehen: «A Look Ahead».