Die Verordnung Nummer 1677/88 ist bis heute das beste Beispiel dafür, wie die EU funktioniert. Es ist die famose Gurkenverordnung.

Die Gurkenverordnung der EU legte europaweit fest, dass eine Salatgurke auf zehn Zentimeter Länge eine maximale Krümmung von zehn Millimeter aufweisen darf. Ist sie krummer, wird die Gurke verhaftet.

Ebenso hübsch ist die Verordnung Nummer 97/2010. Es ist die famose Pizzaverordnung der EU. Sie legt europaweit fest, dass eine Pizza napoletana einen maximalen Durchmesser von 35 Zentimetern aufweisen darf. Ist sie grösser, wird die Pizza verhaftet.

Nun sind, im gleichen freiheitlichen Sinn, die Medien dran. Letzte Woche präsentierte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen die neuste Verordnung der EU. Wie immer, wenn von der Leyen eine Vorlage vorstellt, kann es nicht pompös genug sein. Das war auch diesmal so. Das neue Gesetz der EU trägt den hochtrabenden Titel «European Media Freedom Act».

Der europäische Medienfreiheitsakt erinnert allerdings stark an den europäischen Gurkenfreiheitsakt und den europäischen Pizzafreiheitsakt. Auch die freien Medien sollen nun stärker reguliert werden, weil sie bisher der Aufsicht aus Brüssel entgingen.

Keine Eingriffe in die Redaktionen auch von privater Seite – das ist radikal.

Der Media Freedom Act schafft eine neue Behörde, genannt das Europäische Gremium für Mediendienste. Bei der Behörde, das sagt die EU ohne Umschweife, handelt es sich um eine «Kontrollinstanz», auf Englisch «watchdog» genannt. Natürlich schiebt Brüssel dann hastig nach, es sei dies eine «Kontrollinstanz für Medienfreiheit».

Man muss also die Medien kontrollieren, damit ihre Freiheit erhalten bleibt. Die neue Aufsichtsbehörde bekommt dazu ein ein Millionenbudget. Sie schlägt Sanktionen vor, wenn die Medienfreiheit gefährdet ist. Natürlich ist, wie die EU schon weiss, die Medienfreiheit weitherum hochgradig in Gefahr. Überall in den Märkten gibt es «besorgniserregende Tendenzen».

In Ländern wie Frankreich und Italien kontrollieren Milliardäre wie die Agnellis und Drahis den Markt und haben selbst linke Blätter wie die Repubblica und die Libération unter Kontrolle. In Ländern wie Polen und Ungarn versuchen Politiker wie Mateusz Morawiecki und Viktor Orbán, mehr Einfluss auf die Medien zu bekommen. Auch in Deutschland lauert Gefahr, denn das führende Pressehaus Springer fährt einen sehr EU-kritischen Kurs und foutiert sich um Brüssels Selbstbespiegelung.

Springer-Verleger Mathias Döpfner hat für die neue Medienaufsicht der EU denn schon einen abgewandelten Namen gefunden. Er nennt sie den «Media Unfreedom Act». Döpfner sagt: «Die EU setzt die Pressefreiheit in Deutschland und Europa nicht nur aufs Spiel, sondern trifft sie im Kern.»

Man kann seine Rage verstehen. Wenn es nach der EU geht, dann hat Döpfner in seinem eigenen Unternehmen nichts mehr zu sagen. Brüssel will, so die Kommission wörtlich, «dass unsere Medien ohne irgendwelche Eingriffe operieren können, sei es von privater oder von öffentlicher Seite».

Keine Eingriffe in die Redaktionen auch von privater Seite. Das ist radikal. Das traditionelle Berufsbild des Verlegers wird dadurch ausradiert. Zu den Inhalten seiner Blätter und Sender hat ihr Besitzer künftig nichts mehr zu melden. Es ist klar, dass die Journalisten das Dekret aus Brüssel grossartig finden. Endlich könnten sie tun und lassen, was immer sie wollen. Was sie wollen, ist bekannt. Um die 70 Prozent der Journalisten deklarieren sich als links oder links-grün. Und sie bejubeln die Zentralmacht der EU, auch dies im Gegensatz zur restlichen Bevölkerung.

Der European Media Freedom Act muss noch vom europäischen Parlament genehmigt werden. Nehmen wir an, dass das geschieht, und malen wir uns die Folgen für die Schweiz farbig aus. Die Schweiz würde, im üblichen Rahmen des autonomen Nachvollzugs, die EU-Medienkontrolle übernehmen. Verleger Michael Ringier hätte dann bei seinem Blick Zutrittsverbot. Verleger Pietro Supino könnte bei seinem Tages-Anzeiger vergeblich ans Fenster klopfen. Verleger Peter Wanner würde bei seinem Tele Züri aus dem Studio verwiesen. Und auch Verleger Christoph Blocher müsste bei seinem Tagblatt der Stadt Zürich den Schlüssel abgeben.

Nur noch die Journalisten würden entscheiden, was wir lesen und sehen. Endlich hätten wir die totale Medienfreiheit.