Im Jahr 1976 führt Carl Gustav, der König von Schweden, die bürgerliche Deutsche Silvia Sommerlath vor den Traualtar, Erich Honecker wird zum Vorsitzenden des Staatsrats der DDR gewählt, Steve Jobs gründet Apple, und Muhammad Ali dominiert das Schwergewichtsboxen. Und auf den Skipisten bei Innsbruck fährt die 25-jährige Bayerin Rosi Mittermaier die Konkurrenz in Grund und Boden. Sie gewinnt an den Olympischen Winterspielen Gold in Abfahrt und im Slalom und landet im Riesenslalom auf dem zweiten Platz. In Deutschland, wo der Winter in der öffentlichen Wahrnehmung quasi als wettkampffreie Zeit galt, grassierte plötzlich das Skifieber – oder besser das «Rosi-Fieber».

Weil die Winterspiele damals auch als Weltmeisterschaften zählten, gewann Mittermaier die Medaillen quasi doppelt. Und weil sie in jenem Winter praktisch unschlagbar war, sicherte sie sich auch den Gesamtweltcup sowie die Siege in zwei Disziplinen-Wertungen (Abfahrt und Kombination). In den Wochen nach Olympia habe sie 27 000 Fanbriefe erhalten, in ihrem Elternhaus sei ein Zimmer voller Post und Pakete gewesen, erzählte sie den Reportern.

Was die Öffentlichkeit weit über die deutschen Grenzen hinaus noch mehr faszinierte als die Erfolge, war Mittermaiers herzliche und bodenständige Art. Geboren in München und aufgewachsen in einem kleinen Skigebiet bei Reit im Winkl, half sie als Teenager im Service der elterlichen Gaststätte aus. Im Privaten fand sie das Glück am Pistenrand, als sie zu Beginn ihrer Karriere den Sportkameraden Christian Neureuther kennenlernte. Es war Liebe auf den ersten Blick – und fürs Leben.

Rosi Mittermaier besass nicht nur Charme und das perfekte Gespür im Schnee, sondern auch für das passende Timing. Im Frühjahr 1976 realisierte sie, dass ihre Erfolge kaum zu wiederholen waren. Im Alter von 25 Jahren trat sie vom Spitzensport zurück. An ihrer Popularität änderte sich aber nichts. Sie blieb beliebter Gast in Sport- und Unterhaltungssendungen und schaffte es wie kaum eine Zweite, ihre Erfolge zu konservieren. Sie engagierte sich auch im Sozialen – ohne dies an die grosse Glocke zu hängen. Für den Skisport besass sie in Deutschland einen ähnlichen Stellenwert wie Bernhard Russi in der Schweiz.

Nach dem Rücktritt widmete sich «Gold-Rosi» vor allem ihrer Familie. Die Kinder Ameli (als Modedesignerin) und Felix Neureuther (als Skirennfahrer) etablierten sich ebenfalls erfolgreich in ihren Branchen. An die Popularität und Ausstrahlung ihrer Mutter kamen sie aber nicht heran. Konnten sie auch nicht. Eine wie Rosi Mittermaier wird es nie mehr geben. Vergangene Woche erlag sie ihrer Krebserkrankung. Der Skisport trauert um einen seiner grössten Stars – und um eine unvergleichlich liebevolle und charismatische Persönlichkeit.