Dieser Sommer war eine Gnade für unsere Sonntagszeitungen. Die Gnade kam von der Schweizer Fussball-Nationalmannschaft. An der EM spielte sie vortrefflich.

Und vor allem: Sie spielte am Samstag.

Drei Mal, gegen Ungarn, Italien und England, wollte es die Gnade des Sommers, dass die Schweizer am Samstag spielten. Bis zu 1,7 Millionen sassen dann in der Deutschschweiz vor dem TV. Damit war für die Redaktionen der Sonntagszeitungen sonnenklar, was ihre Titelstory sein musste.

«Goal, Goal, Goal! Die Nati überrascht alle» titelte denn die Sonntagszeitung auf Seite eins. «Jetzt träumen wir vom Titel!» war der Aufmacher des Sonntagsblicks. Drei Mal lieferte der Fussball den beiden Blättern die Schlagzeile franko ins Haus.

Für den Dritten im Bunde, die NZZ am Sonntag, war Fussball hingegen ein Tabu. Kein einziges Mal schaffte es das Nationalteam auch nur unter die fünf wichtigsten Themen auf der Frontseite. Stattdessen langweilte das Blatt mit altbackenen Themen wie einer Drogenabgabe an Süchtige oder der Zukunft des Alpenraums.

Das war natürlich total unprofessionell. Doch darum geht es nicht. Es geht heute ums Genre der Sonntagszeitungen. Ich gebe einen kurzen Überblick.

Die Schweiz ist ein Sonderfall. Weltweit setzen Sonntagsblätter sonst den Stil ihrer Stammblätter fort.

Die Schweiz ist am Tage des Herrn ein Sonderfall. Weltweit setzen Sonntagsblätter sonst den Stil ihrer Stammblätter fort. Die Welt am Sonntag etwa ist eine sonntäglich angereicherte Kopie der Welt. Die Sunday Times ist eine sonntäglich üppigere Version der Times.

In der Deutschschweiz ist das anders. Die Sonntagskinder versuchen sich von ihren nahen Verwandten abzugrenzen.

Am weitesten geht dabei die Sonntagszeitung. Im Gegensatz zum links-grünen Tages-Anzeiger steht die Redaktion unter ihren Chefs Arthur Rutishauser und Andreas Kunz auf bürgerlichem Boden. Sie ist für Friedensverhandlungen in der Ukraine, verweigert sich der Klimapanik und hält Donald Trump nicht für Luzifer. Die Redaktion des Tages-Anzeigers, die überall das Gegenteil propagiert, hat jeweils Schaum vor dem Mund.

Richtig rund ging es, als die Sonntagszeitung im letzten Jahr eine Umfrage unter jungen Frauen publizierte. Befund: «Die meisten Studentinnen wollen lieber einen erfolgreichen Mann als selber Karriere machen.» Nun waren beim woken Tages-Anzeiger völlig die Teufelin und der Teufel los. Es hagelte interne Proteste, und es wurden Sondersitzungen einberufen, um diesen Verrat am Feminismus zu geisseln.

Beim Sonntagsblick ist die Lage ähnlich bewegt. Seit vor einem Jahr der neue Chefredaktor Reza Rafi den Titel übernahm, ist auch hier eine Absetzbewegung im Gang. In der Blick-Gruppe ist Politik sonst eine drittrangige Nebensache, weil das weibliche Führungsduo von Ladina Heimgartner und Steffi Buchli an Politik kaum Interesse und davon auch kaum Ahnung hat.

Der Sonntagsblick hat als neue Strategie definiert, sich gegen den internen Stil der politischen Belanglosigkeit zu profilieren. Das bisher stärkste Stück gelang bei der sogenannten Friedenskonferenz auf dem Bürgenstock. Das Blatt kritisierte dezidiert, dass Russland nicht eingeladen war, und zerzauste dann die verbleibenden «Desperados vom Bürgenstock» sowie deren «Bel-Ami» namens Selenskyj. In der Branche hob man die Brauen.

Auch die NZZ am Sonntag ist eine ungezogene Schwester in ihrem Haus. Sie ist dies allerdings in negativem Sinn. Im Gegensatz zur NZZ, die seit Jahren enorm an Bedeutung gewinnt, hat sie deutlich an Profil verloren. Unter ihrem neuen Chefredaktor Beat Balzli, früher Chef der deutschen Wirtschaftswoche, ist sie von einer merkwürdigen Blockade gegenüber eigener Kreativität befallen.

Die Redaktion ist so berechenbar wie der Glockenschlag der Kirche. Wenn es ein paar Unwetter gibt in der Schweiz, dann schreibt sie über eine kommende Unwetterkatastrophe. Wenn der Bundesrat über Energiepolitik redet, dann schreibt sie über eine kommende Stromkatastrophe. Wenn es etwas wärmer wird, dann schreibt sie über die kommende Gletscherkatastrophe. Keine eigenen Ideen, nur immer schön den Wänden nach.

Immerhin, man reagiert im Haus. Eric Guyer, der erfolgreiche Chefredaktor der NZZ, ist neuerdings auch für die erfolgsärmere NZZ am Sonntag publizistisch verantwortlich. Es kann also nur besser werden.