In unserer Gesellschaft setzen Themen wie Klimawandel, Umweltschutz und Nachhaltigkeit Politik und Industrie zunehmend unter Druck, neue Massnahmen zur Entschärfung der Probleme zu ergreifen. Auch die Kunststoffindustrie spürt den Paradigmenwechsel und sieht sich mit neuen Herausforderungen konfrontiert. Viele Produkte aus Plastik sind in Verruf geraten. Wenn die Branche in der öffentlichen Wahrnehmung weiterhin als innovativ und zukunftsorientiert gelten will, muss sie nicht nur von Nachhaltigkeit sprechen, sondern entsprechende Massnahmen auch umsetzen.

Glasfaserverstärkte Kunststoffe auf der Basis duromerer Harze (GFK) zum Beispiel erfreuen sich seit längerer Zeit einer steigenden Nachfrage und kommen in einer Vielzahl von Anwendungen zum Einsatz wie etwa bei Rotorblättern von Windenergieanlagen, Bootsrümpfen, Karosserieteilen von Autos, in der Bauindustrie und vielem mehr. Geringes Gewicht, Witterungsstabilität und Festigkeit sind Vorteile – das Material gilt jedoch als schwierig rezyklierbar. Abseits der öffentlichen Wahrnehmung hat sich nun eine grosse Entsorgungsproblematik aufgebaut.

 

Deponieren oder verbrennen

Europaweit wurden 2019 rund 1,14 Millionen Tonnen GFK hergestellt und in diversen Industrien eingesetzt – Tendenz stetig steigend. Diese Kunststoffe sind langlebig, aber auch GFK-Anwendungen erreichen mit der Zeit ihr Lebenszyklusende und müssen fachgerecht entsorgt werden. Das Recycling von GFK ist jedoch komplex, weil sich die duromeren Harze im Gegensatz zu Thermoplasten nicht einschmelzen und zu neuen Anwendungen verarbeiten lassen. Auch ist ein Auftrennen von Matrix (etwa Polyester) und eingelegten Glasfasern schwierig. Dass die Herstellungskosten für Glasfaserneuware so niedrig sind, ist einer der Hauptgründe, weshalb sich bis heute noch kein GFK-Recycling im Sinne der Kreislaufwirtschaft etablieren konnte. Es lohnt sich bisher nicht, Stoffe zurückzugewinnen. Europaweit fallen jährlich mehr als 200 000 Tonnen GFK-Abfälle an, für die keine Verwendung mehr zu bestehen scheint.

Das Recycling von GFK ist ein altbekanntes Problem, weshalb schon verschiedene Unternehmen und Forschungseinrichtungen nach Lösungen für dieses Problem gesucht haben. So wurden unter anderem thermische (Pyrolyse) und chemische (Solvolyse) Recyclingansätze untersucht, welche sich jedoch aufgrund ihrer schlechten Kosten-Nutzen-Verhältnisse als nicht rentabel erwiesen und sich deshalb am Markt bisher nicht durchsetzen konnten.

Abfälle aus glasfaserverstärkten Kunststoffen werden heute zu einem kleinen Teil thermisch rezykliert. Dabei wird aus den GFK-Abfällen ein Ersatzbrennstoff gefertigt, der für die Herstellung von Zement verbrannt wird. Die überwiegende Mehrheit der Abfälle wird jedoch auf Deponien entsorgt, was im Zusammenhang mit Windrotorblättern auch schon für negative Publizität gesorgt hat – so kürzlich nach der Mitteilung der deutschen Regierung, die Recyclingverfahren befänden sich noch im Forschungsstadium. Beide Ansätze führen dazu, dass die im GFK-Abfall enthaltenen wertvollen Ressourcen verlorengehen und nicht wiederverwendet werden können.

 

Schliessung des Wertstoffkreislaufs

Hier haben die iwas-concepts AG (iwas) und das Institut für Kunststofftechnik (IKT) der Fachhochschule Nordwestschweiz (FHNW) angesetzt und ein von der Bundesagentur Innosuisse gefördertes Projekt lanciert und abgeschlossen. Das Ziel des Vorhabens bestand darin aufzuzeigen, dass ein Recycling von GFK-Abfällen im Sinn der Kreislaufwirtschaft unter Berücksichtigung technischer, ökologischer und ökonomischer Gesichtspunkte möglich und sinnvoll ist.

Damit aus GFK-Abfällen ein hochwertiges Rezyklat gefertigt werden kann, muss eine gleichbleibende, hohe Qualität der Ausgangsstoffe gewährleistet werden. Hierfür haben das IKT, iwas und Partnerfirmen Spezifikationen erarbeitet, nach denen die GFK-Abfälle vorbehandelt werden. Um den Prozess einfach zu halten, erfolgt dieser Schritt mechanisch. Anschliessend werden diese aufbereiteten Abfälle zu einem Hybridrezyklat weiterverarbeitet.

Iwas und das IKT haben zusammen unterschiedliche Rezyklatformulierungen entwickelt, welche für das jeweilige Verarbeitungsverfahren optimiert wurden. Das Rezyklat kann auf den gängigen Anlagen der verarbeitenden Industrie, sprich durch Spritzguss, Extrusion, Fliesspressen oder 3-D-Druck, zu unterschiedlichen Produkten verarbeitet werden. Das Rezyklat kann als Ersatz von Neuware für die verschiedensten Produkte verwendet werden, welche heute aus glasfaserverstärkten Thermoplasten hergestellt werden, wie etwa Bauteile für Autos, Kabelkanäle, Profile, Dielen für den Aussenbereich und vieles andere mehr.

Die Innovation: Diese Produkte können nach ihrem Lebensende wiederum zu 100 Prozent aufbereitet werden, wodurch der Wertstoffkreislauf geschlossen werden kann. Die technische Machbarkeit der entwickelten Lösung wurde in zahlreichen Labor- und grossen Feldtests im industriellen Umfeld nachgewiesen.

Das Projekt wurde eng vom Institut für Biomasse und Ressourceneffizienz (Ibre) der FHNW begleitet. Das Ibre fertigte eine Life-Cycle-Analyse gemäss der Norm ISO 14040 an. Diese zeigt eindeutig auf, dass der entwickelte Recyclingansatz den heute gängigen Methoden (thermisches Recycling respektive Deponierung) deutlich überlegen ist.

Die technologische und die ökologische Machbarkeit des GFK-Recyclings konnten von iwas, dem IKT und dem Ibre nachgewiesen werden, doch wie steht es um die ökonomische Machbarkeit? Die Rezyklate von iwas können preislich mit faserverstärkter Neuware mithalten, je nach Vergleichsmaterial kann der Verkaufspreis aber geringfügig höher ausfallen.

Diese eventuellen Mehrkosten lassen sich durch die aufwendige Herstellung des Hybridrezyklats rechtfertigen und mittels geeigneten Marketings so begründen, dass sie sich an die Endkundinnen und -kunden weiterverrechnen lassen (Storytelling). Mit diesem Projekt wurde aufgezeigt, dass GFK-Recycling möglich und sinnvoll ist. Jetzt ist die Industrie an der Reihe, solche Lösungen im grossen Stil umzusetzen.

 

André M. Voegelin ist Gründer und Geschäftsleiter der Beratungsfirma iwas-concepts AG.

Das Verfahren wurde durch die Solarimpuls-Foundation von Bertrand Piccard überprüft und ausgezeichnet.