Die Bekämpfung des Klimawandels ist zu einem Megatrend geworden, mit dem sich zahlreiche private und öffentliche Stellen beschäftigen und Massnahmen entwickeln. In der Schweiz hat zum Beispiel das Bundesamt für Umwelt eine Anpassungsstrategie und einen Aktionsplan mit über 180 Massnahmen vorgelegt.

Aber auch von privater Seite kommen Vorschläge. Gemäss dem Ende Oktober erschienenen Bericht «The Case for Industrial Energy Efficiency» sollen allein in der Industriebranche bis 2030 Einsparungen von 11 Prozent der weltweiten CO2-Emissionen beziehungsweise in der Höhe von 437 Milliarden Dollar möglich sein. Doch wie realistisch ist dieses Szenario mit zehn Massnahmen, das die vom Schweizer Technologieunternehmen ABB lancierte Energieeffizienz-Initiative ausgearbeitet hat? (Siehe Artikel auf zur Story.)

Mike Umiker, Managing Director der Energieeffizienz-Initiative, sagt im Gespräch, dass ABB in Klima- und Umweltfragen als Sprachrohr der Energiebranche auftreten wolle. «In diesem Zusammenhang propagieren wir Innovationen und energieeffiziente Produkte, um mit weniger Energie gleich viel oder sogar mehr Output zu erreichen.» Umsetzbarkeit und Wirksamkeit der Massnahmen seien sehr gut. «Denn wir setzen auf technologische Lösungen, die es bereits gibt», sagt er.

Es brauche also keine langen Entwicklungszeiten für neue Technologien, um den CO2-Ausstoss und gleichzeitig auch die Kosten für die Unternehmen signifikant zu senken. Mit der externen Firma, mit der man für den Bericht zusammengearbeitet habe, seien verschiedene Szenarien angeschaut worden. «Als am realistischsten hat sich dann das mittlere Szenario herausgestellt, das ich persönlich für absolut umsetzbar halte.»

Angesichts der geopolitischen Lage besteht laut Umiker die Gefahr, die Klimaziele des Pariser Abkommens zu verfehlen. Deshalb müsse etwas unternommen werden, gerade weil mit den heutigen Technologien die Ziele erreichbar seien. «Mit unserem Bericht wenden wir uns an Führungskräfte von mittleren und grösseren Unternehmen, um sie bei den Bemühungen zu unterstützen, energieeffizienter zu werden und so die CO2-Emissionen zu senken», erklärt er. Zudem tritt die Energieeffizienz-Initiative auch beratend auf. «Wir müssen das ganze Thema holistisch angehen, wenn wir Erfolg haben wollen.» Aus diesem Grund seien die vorgeschlagenen Massnahmen jeweils top-down zu implementieren, damit die ganze Firma dahinterstehen könne.

Von den offiziellen Stellen erwartet Umiker einen Massnahmenkatalog, der für die politische Gestaltung genutzt werden kann. «Für den Erfolg halte ich die Unternehmen für wichtiger.» Diese stützten sich auf die drei Säulen Grundlagen, Technologien und Erkenntnisse/Datennutzen ab. «Insgesamt wollen wir uns unpolitisch mit dem Thema beschäftigen und unsere zehn Massnahmen unbürokratisch und rasch umsetzen», führt er aus. Interessant für die Industriebranche sei auch der finanzielle Aspekt, lasse sich doch durch die Reduktion der CO2-Emissionen bares Geld sparen. Verbote seien hingegen nicht notwendig, die breite Anwendung der heutigen technologischen Möglichkeiten und Standardisierungen reichten aus, um die Energieeffizienz von 2 auf 4 Prozent zu verdoppeln.

 

Skeptisch gegenüber Subventionen

Subventionen durch die öffentliche Hand für die Beschleunigung des Prozesses steht Umiker eher skeptisch gegenüber. Der Beantragungsprozess müsse, wie etwa in Deutschland beim Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (Bafa), einfach aufgesetzt sein, um rasch Subventionen einzufordern. Dann könnten sie helfen. Darauf verlassen möchte er sich aber nicht. Vielmehr vertraut er auf die direkte Wirksamkeit der im Bericht der Energieeffizienz-Initiative festgehaltenen Empfehlungen. Wovon verspricht er sich am meisten? «Vor allem drei Massnahmen sind ganz besonders wirksam», sagt er. Allein die Vernetzung der bestehenden physischen Anlagen durch das Internet of Things (IOT) bringe eine Einsparung von rund 33 Prozent bei den CO2-Emissionen.

Am zweitmeisten Wirkung entfalten gemäss den Ausführungen von Umiker intelligente Gebäude, sogenannte Smart Buildings. «Durch Vernetzung und Automation lassen sich mit dieser Massnahme rund 19 Prozent einsparen.» Und durch industrielle Wärmepumpen seien weitere 18 Prozent an Reduktion möglich. Zusammengefasst könne man durch die Aufrüstung der aktuellen Technologie und durch ein besseres Gebäudemanagement schon rund 70 Prozent auf dem Absenkpfad erreichen.

Kein explizites Thema im Bericht «The case for Industrial Energy Efficiency» ist die Elektromobilität. «Da haben wir eine schrittweise Entwicklung, im Moment spielt sie aber noch keine grosse Rolle», sagt Umiker. Klar sei aber, dass der Energiebedarf hierfür auch in Zukunft gedeckt werden könne.

Angesprochen auf die Rolle von ABB, sieht er das Unternehmen als Marktführer bei den Schlüsselmassnahmen, die es braucht, um die Klimaziele zu erfüllen: Smart Buildings, Internet of Things, hocheffiziente Motoren und Frequenzumrichter. «Wir wollen uns als Vordenkerfirma unter Beweis stellen – aber nicht allein.» Deshalb sei er stolz darauf, dass ABB die Effizienz-Initiative bewusst über das eigene Unternehmen ausgedehnt hat und auch Mitbewerber miteinbezieht, um das Gesamtproblem zu anzugehen. «Unser Ansatz besagt, dass alle von der Klimathematik betroffen sind und deshalb auch in die Lösungssuche involviert werden sollen, und zwar regionen- und branchenübergreifend.»

ABB selbst will nach Umikers Worten einerseits bei sich selbst ansetzen und die Massnahmen umsetzen. Gleich wichtig sei anderseits aber auch die Unterstützung der Kunden. «Da gibt es kein Entweder-oder.» Man könne auch feststellen, dass viele Kunden, die bereits Investitionen in die Verbesserung der Effizienz getätigt hätten, die Vorteile sähen und darum bereit seien, entsprechende Budgetposten aufzustocken. Firmen, die noch nicht so weit seien, hätten zum Teil gewisse Vorbehalte wegen der Kosten, der Ausfallzeiten oder des Change-Managements.

 

Kraftort im Aargau

Als konkretes Beispiel für ein ABB-Projekt zur Effizienzsteigerung nennt er die Ultra-High-Premium-Efficiency-Motoren. «Durch die Verwendung von recyceltem Kupfer können wir in der Herstellung rund 200 Kilogramm CO2-Emissionen pro Motor einsparen», führt er aus. Die Herstellung punkto Kosten und CO2-Ausstoss sei allerdings fast vernachlässigbar, entscheidend sei die Lebensdauer von fünfzehn bis zwanzig Jahren. «Darum ist in der Produktion die Kreislaufwirtschaft und im Betrieb die Effizienz wichtig.» Die Motoren der Energieeffizienzklasse IE5 wiesen den höchsten Wirkungsgrad auf, den es je gab. Im Vergleich zu den IE2-Motoren sei der Energieverlust bis zu 50 Prozent geringer, im Vergleich zu den IE4-Motoren um 20 Prozent.

Einen anderen Beitrag von ABB zur Effizienzsteigerung sieht Umiker im am 16. November eröffneten Multifunktionsgebäude namens «Emotion» am Standort Untersiggenthal AG. Der Neubau kostete rund 45 Millionen Franken, was der grössten Investition seit über zehn Jahren von ABB in der Schweiz entspricht. Nach zweijähriger Bauzeit gibt es dort 500 Arbeitsplätze für die Bereiche Forschung und Entwicklung, Verkauf und Service sowie Projektabwicklung und Engineering. Bei der Eröffnung sagte Nora Teuwsen, Vorsitzende der Geschäftsleitung ABB Schweiz: «Mit dieser Investition stärken wir die Präsenz von ABB in der Schweiz und investieren in wachstumsstarke Zukunftstechnologien. Wir möchten unseren Mitarbeitenden erstklassige Rahmenbedingungen bieten, um Innovation, Pioniergeist und Nachhaltigkeit zu fördern.»

In Untersiggenthal betreibt ABB ein globales Kompetenzzentrum für Leistungselektronik, wo für Kunden weltweit effiziente und nachhaltige Technologielösungen für Antriebstechnik in Industrieprozessen, Infrastruktur und Bahnen sowie für Anwendungen im Bereich der erneuerbaren Energieerzeugung entwickelt und hergestellt werden. Durch Leistungselektronik wird Strom je nach Anwendung besonders zuverlässig und effizient in die gewünschte Form umgewandelt, etwa in Traktionsumrichtern für Züge, E-Busse und Trams. Aber auch in Umrichtern für Wind- oder Wasserkraftkraftanlagen oder in drehzahlgeregelten Antrieben für Motoren.