Es ist ein dunkler Novemberabend. Wir treffen Nina Ruge auf dem neuen LG-Areal ihres Wohnorts. Anlass bietet ein Referat von Elisabeth Roider, Chief Medical Officer bei Maximon, einer Zuger Firma, die im Bereich der Longevity tätig ist, neudeutsch für «Langlebigkeit». An diesem Abend dreht sich darum alles um die Umkehrung der Alterungsprozesse, personalisierte Gesundheit, Intervallfasten und um Chancen für ein gutes Investment.

Nina Ruge, die man aus dem deutschen Fernsehen kennt und die mehrere Bücher über Gesundheit und Ernährung verfasst hat, ist heute Fachjournalistin für Alternsforschung. Schnell wird klar: Die 67-jährige Moderatorin ist nicht nur sportlich, vital, elegant und blitzschnell im Denken, sondern auch eine geborene Multitaskerin. Nina Ruge, es ist nicht zu übersehen, ist die ideale Botschafterin für das Thema «gesund Altwerden».

Weltwoche: Frau Ruge, haben Sie als Kind von Peter Pan geschwärmt? Dieser wollte ja bekanntlich niemals erwachsen werden und sich so seine kindlich-kreative Lebensenergie auf ewig erhalten.

Nina Ruge: Nein, ich war Pippi-Langstrumpf-Fan! Als Mädchen empfand ich mich als graue Maus mit Rattenschwänzen, und Pippi war die Inkarnation meiner Träume: selbstbewusst, kreativ, kraftvoll wie ihre roten Zöpfe – und bis in die Ringelsocken mutig und unkonventionell. Meine Tante hatte mir die Pippi-Bücher geschenkt, allerdings waren meine Eltern etwas skeptisch. Sie fanden Pippi wohl zu emanzipiert.

Weltwoche: Wann wurde das Thema Gesundheit für Sie relevant?

Ruge: Mit siebzehn, nach dem Abitur, gehörte ich zur Lila-Latzhosen-, Müsli- und Yoga-Fraktion unter den alternativ angehauchten Jugendlichen. Mitte der siebziger Jahre war das halt voll in. Das Biologiestudium für das höhere Lehramt lieferte mir dann eine Art Grundausstattung für das tiefere Verständnis von Krankheit und Gesundheit. Am Gymnasium konnte ich die Schüler etwa mit der Frage «Wie entsteht Krebs?» für anspruchsvollere Stoffe wie Genetik begeistern. Tiefer eingestiegen ins Thema bin ich 2007. Ich moderierte damals schon seit zwanzig Jahren täglich live für ZDF, 3sat und Phoenix, schlief wenig und reiste viel. Damals hatte ich erste kleinere gesundheitliche Probleme.

Weltwoche: Wenig geschlafen, was heisst das konkret?

Ruge: Bei mir waren das über Jahre hinweg nur vier, fünf Stunden pro Nacht. Unter sechs Stunden sollte das Schlafmass nicht sinken, weil besonders in den wertvollen Tiefschlafphasen im Körper elementare Regenerationsprozesse ablaufen wie die DNA-Reparatur oder die Stabilisierung der Funktion der Mitochondrien, unserer Zellkraftwerke.

Weltwoche: Wer oder was hat Ihnen damals geholfen?

Ruge: Mein Internist. Er befasste sich schon früh intensiv mit den biologisch-medizinischen Mechanismen des Anti-Aging, wie das damals hiess. Er checkte per Blutbild ein paar Werte, freie Radikale zum Beispiel. Keine Ahnung, wie das labortechnisch zu jenem Zeitpunkt möglich war. Seine Ernährungsempfehlungen jedenfalls lasen sich wie die eines Longevity-Experten: kein Zucker, kein Fleisch, gemüsebasiert, Olivenöl, Proteine aus Quark und so weiter. Dazu ein Cocktail von bis heute wesentlichen Nahrungsergänzungsmitteln und, nicht zu vergessen, täglich Sport. Ich hatte schnell deutlich mehr Energie, und so kam es, dass Erich Knobloch und ich sozusagen das Longevity-Buch der ersten Generation schrieben: «Länger jung und gesund mit Nina Ruge». Das erschien dann wohlgemerkt schon 2008!

Weltwoche: Wann hat Sie die Lust am Thema Longevity gepackt?

Ruge: Für mich entdeckt habe ich das Thema 2017, als ich einen Forschungspreis in Wien moderierte. Ein Stammzellenexperte und Regenerationsmediziner stellte mir seine Buchidee zu Longevity vor. Ich kannte damals noch nicht mal die Vokabel. Er könne als Wissenschaftler nicht allgemeinverständlich formulieren, meinte er. Ich hatte nach dem frühen Anti-Aging-Sachbuch mit Knobloch noch vier weitere populärwissenschaftliche Bücher geschrieben, und so übernahm ich den Job gerne.

Weltwoche: Ihr Buch «Altern wird heilbar» kletterte sofort die Spiegel-Bestsellerliste hoch. Sie scheinen sich regelrecht in der Thematik des gesunden Alterns festgebissen zu haben. Worin genau liegt für Sie deren Reiz?

Ruge: Zu erkennen, mit welch fantastischer Intelligenz sich unsere Zellen, unser Gewebe, die Organe und unser Stoffwechsel regulieren und welche unguten Folgen das schleichende Aus-dem-Takt-Geraten des Tanzes unserer Moleküle mit sich bringt, das ist faszinierend. Was sind die tiefen Ursachen des Alters? Wie können wir diese Deregulation verlangsamen, ja vielleicht sogar anhalten oder zurückdrehen? Dazu hat die Forschung Unmengen an Erkenntnissen gewonnen, und noch viel mehr ist in der Pipeline. Und auch als Business ist diese Branche the next big thing.

Weltwoche: Verstehen Sie sich als eine Pionierin auf diesem Gebiet?

Ruge: Ich sehe mich als Botschafterin der noch jungen Bewegung «Healthy Longevity». Es ist mein Anliegen, die breite Bevölkerung dafür zu motivieren, in die Verantwortung für die eigene Gesundheit zu gehen – eine Gesundheit möglichst bis kurz vor dem Tod.

«Was sind die tiefen Ursachen des Alters? Wie können wir diese Deregulation verlangsamen?»Weltwoche: Zur Longevity-Ernährung – welche Dogmen, denen Sie früher aufgesessen sind, gelten inzwischen als widerlegt?

Ruge: Dass man dreimal am Tag essen soll. Intervallfasten und andere Fastenvarianten stärken nachweislich die Zellfitness, indem die sogenannte Autophagie angekurbelt wird, also die lebensnotwendige Zellreinigung und andere Recyclingprozesse. Ein weiteres Dogma lautet: Eine ausgewogene Ernährung macht Nahrungsergänzungsmittel überflüssig. Das mag vielleicht für unter Dreissigjährige gelten, doch von da an geht’s bergab mit der Zellfitness. Etliche elementare Wirkstoffe stehen uns im Laufe des Älterwerdens immer weniger zur Verfügung, Coenzym Q10 beispielsweise, NAD+ oder Spermidin. Andere wiederum, wie Vitamine der B-Gruppe, werden deutlich schlechter resorbiert. Deshalb macht es durchaus Sinn, solche Substanzen zu supplementieren.

Weltwoche: Und wie viel Fleisch ist gut für den Menschen?

Ruge: Früher hiess es: Der Junge braucht Fleisch. Für Hochleistungssportler mag das gelten. Doch für den Durchschnittsmenschen ist eine Ernährung, die zu achtzig Prozent auf Gemüse basiert, zu empfehlen. Denn deren sekundäre Pflanzenstoffe sind in tierischen Produkten überhaupt nicht vorhanden. Und von ihnen weiss man, dass sie sehr viele protektive Eigenschaften haben.

Weltwoche: Ist unser Gesundheitssystem bereit für grundlegende Veränderungen?

Ruge: In der traditionellen chinesischen Medizin wird der Arzt dafür bezahlt, dass er seinen Patienten dabei hilft, gesund zu bleiben. Health care statt sick care – diesen Gedanken gilt es auf moderne und technologisch spannende Weise in die Politik zu bringen und in Institutionen wie zum Beispiel Krankenkassen. Wenn diese verstehen, dass mittels Longevity-Forschung und -Praxis der drohende Finanzkollaps der Gesundheitssysteme abzuwenden ist, wird das Umdenken ganz schnell geschehen.

Weltwoche: Auch die Pharmaindustrie hat das Potenzial von Longevity erkannt.

Ruge: Ja, auch wenn man aus einem Mangel an verlässlichen Daten lange Zeit gezögert hat. Doch Roche ist schon länger dabei, jetzt steigt auch Novartis ein, und Nestlé arbeitet intensiv an personalisierter Versorgung. Damit tun sich gute Chancen für Hunderte von Longevity-Start-ups auf, potente Käufer zu finden. Die Start-up-Szene ist in den USA weit entwickelt, und in Asien, etwa in Israel, tut sich ebenfalls vieles, und einige sind auch in Europa entstanden.

Weltwoche: Sie tragen da an Ihrem Finger einen Smart-Ring, ein sogenanntes Wearable. Nutzen Sie viele solcher Gesundheits-Gadgets?

Ruge: Dieser Ring von Oura oder mein Armband von Aktiia erlauben mir, mich täglich zu tracken. Ich verfolge Schlafqualität, Stress-Level, sportliche Aktivität und den Blutdruck. Abweichungen und Veränderungen zum Unguten lassen sich so früh erkennen, und ich kann meinen Lebensstil entsprechend ändern! Ich möchte jetzt bald auch einen genetischen Test der neusten Generation machen, um genetische Risiken zu erkennen. Diesen Test macht man einmalig und erhält dann alle drei Monate ein Update, das neueste genetische Analyseergebnisse integriert. Das klassische Blutbild des jährlichen Gesundheits-Checks reicht dem Longevity-Experten übrigens nicht aus. Der möchte einiges mehr messen und auswerten, um Altersstatus und Risiken zu erkennen.

Weltwoche: Welche Nahrungsergänzungsmittel nehmen Sie zu sich?

Ruge: Einige. Dabei beachte ich die Tageszeit und ob die Einnahme mit Mahlzeiten kombiniert werden sollte. Ich nehme im Übrigen, niedrigdosiert, Metformin, das derzeit in den USA als Longevity-Medikament in einer grossen Studie untersucht wird. Mir dauert es allerdings zu lange, bis die Studie ausgewertet sein wird. Und da dieses Anti-Diabetes-Mittel sehr gut verträglich ist, nehme ich es jetzt schon. Neben den klassischen Nahrungsergänzungsmitteln wie B-Vitamine, Vitamin D und Vitamin K, Omega-3-Fettsäuren, Selen, Magnesium und Zink nehme ich NR oder NMN, um NAD+ im Körper anzuheben, phasenweise auch AKG. Dazu kommen Coenzym Q10, das mit einer höheren Bioverfügbarkeit versehen ist, und Spermidin. Seit über fünfzehn Jahren mache ich auch eine Hormonersatztherapie, die eindeutig mit gesunder Langlebigkeit assoziiert wird.

«Weniger essen, als man Hunger hat, kein Fleisch, keinen Zucker, keine hochverarbeiteten Lebensmittel.»Weltwoche: Was wäre ihr Ratschlag an Leute, die sich nicht mit Themen wie Langlebigkeit oder Nahrungsergänzungsmitteln auskennen?

Ruge: Sie müssen nicht zwingend meine Bücher lesen. (Lacht) Aber ich würde Ihnen raten, sich über seriöse Quellen im Bereich «Healthy Longevity» schlauzumachen. Hören Sie sich Podcasts an wie «Zwäg hoch zwei» mit Kurt Aeschbacher und mir. Im Januar erscheint auch mein ganz eigener Podcast. Ansonsten gilt eben: calorie restriction. Immer etwas weniger essen, als man Hunger hat, möglichst kein Fleisch, keinen Zucker und keine hochverarbeiteten Lebensmittel. Siebzig Prozent des Angebots im Supermarkt kommen dann allerdings für Sie nicht mehr in Frage.

Weltwoche: Was essen Sie?

Ruge: Wunderbar vielfältige Salate mit Mozzarella, Edamame oder einem gekochten Ei. Diese esse ich jeden Mittag, dazu Vollkornbrot, abends dann Gemüse aus der Tiefkühltruhe plus proteinreiche Produkte wie Kichererbsen, dazu Sojasauce oder das Ganze als Curry-Gericht.

Weltwoche: Morgens meditieren, achtsame Atmung, regelmässige Einnahme von Ergänzungsmitteln, einkaufen, kochen – Gesundheit ist heutzutage ein Vollzeitjob.

Ruge: Das alles wird zur wohltuenden Gewohnheit. Ich mache zweimal in der Woche Krafttraining, das ist in meinem Alter enorm wichtig. Und ich gehe möglichst täglich laufen.

Weltwoche: Welche Laster haben Sie?

Ruge: Abends trinke ich gern ein Glas Wein. Und ich tendiere dazu, mich unter Druck zu setzen. Aber nur negativer Stress macht alt, positiver hält jung.

Weltwoche: Wann sind Sie am glücklichsten?

Ruge: Ich sammle täglich meine gold nuggets. So nenne ich meine Glücksmomente. Das beginnt am Morgen früh, wenn ich mit dem Hund rausgehe und ich die Sonne oder die Wolken über den Bergen sehe. Wer einen Hund hat, der hat auch einen Longevity-Trainer!

Die 3 Top-Kommentare zu "«Wer einen Hund hat, der hat auch einen Lebensverlängerungs-Trainer!»"
  • singin

    Meine Güte, Frau Ruge! Wenn ich Ihre "lebensverlängernden" Zusatzstoffe lese, die sie täglich einnehmen, dann frage ich mich schon, ob das Ihre Lebensqualität ist. Da reicht mir mein grosser, gut erzogener Hund, mit dem ich täglich meine Runden drehe an der frischen Luft und mit viel Bewegung. Im übrigen esse ich, was mir schmeckt. DAS nenne ich mit meinen bald 77 Jahren (die man mir auch nicht ansieht!) Lebensqualität!

  • zweigelt

    Das Thema mag ja grundsätzlich aufschlussreich sein. Jedoch außer einer oberflächlichen Fernseh-Sendung „Leute“ im Anschluss an ihre Nachrichtenmoderation, hat Frau Ruge nicht viel vorzuweisen. Sie ist mit einem sehr erfolgreichen Topmanager W. Reitzle verheiratet, lebt in größtmöglichem Wohlstand, hat keine Kinder, hat dafür immer einen Hund dabei. Womit also soll sich diese Dame sonst beschäftigen, als möglichst lang gesund und schön zu bleiben und daraus ein Geschäftsmodell zu entwickeln?

  • bolly

    Interessant, ABER: Eigentlich brauchen wir nicht noch mehr Aposteln, die dann auch noch Big Pharma zu steigenden Einnahmen bringen. Was sie da alles einnimmt, dessen Abkürzungen ich nicht einmal kenne, obwohl ich Mediziner bin. Da denke ich, kann man ganz entspannt bleiben. Bei solcher Ernährung würden mir die bodenständigen Gerichte, wie z. B. die vielfältigen deutschen Eintöpfe u. a. Gerichte, die einen Teil unserer Kultur ausmachen, fehlen.