Wie gehen deutsche Medien mit der Aussage des Pulitzerpreisträgers Seymour Hersh um, der behauptet, Bundeskanzler Olaf Scholz habe vorab über die Anschläge auf die Nord-Stream-Leitungen Bescheid gewusst? Sie greifen die Nachricht so auf, wie es von einer dem Zombie- und Weltbild-Journalismus verpflichteten Medienlandschaft erwartet werden kann. Gemäss dem Drei-Affen-Modus berichten sie: gar nicht!

Hersh stützt seine Aussagen zu Olaf Scholz auf angebliche Erkenntnisse von CIA-Agenten. Von aussen ist es zwar schwer, diese Behauptung zu verifizieren, allerdings geht es um den schwersten Angriff auf die Versorgungsstruktur der Bundesrepublik seit ihrem Bestehen. Die Presse hat einerseits die Verantwortung, Falschinformationen nicht zu verbreiten. Andererseits gilt es auch, die Öffentlichkeit vollumfänglich zu informieren.

Hershs Aussage, wonach Scholz vorab informiert gewesen sei, ist ungeheuerlich. Da es sich bei Hersh um einen der bekanntesten Journalisten der Welt handelt, darf seiner Aussage ein gewisses Gewicht zugeschrieben werden. Das heisst nicht, dass sie alleine deshalb richtig ist. Doch wie soll sich die Öffentlichkeit ein Bild von den unterschiedlichen Erzählsträngen zu den Hintergründen des Anschlags machen, wenn Medien diese Anschuldigungen einfach ausblenden? Gehen deutsche Medien davon aus, dass an der Behauptung Hersh nichts dran ist?

Auch gerade dann müssten sie die Aussagen Hershs aufgreifen und – soweit das möglich ist – öffentlich nachvollziehbar darlegen, warum diese tatsächlich oder zumindest wahrscheinlich falsch sind. Nicht einmal die Bundesregierung war dazu gewillt, auf eine Frage bei der Bundespressekonferenz, ob sie die Anschuldigungen «vollumfänglich dementieren oder bestätigen» könne (Weltwoche berichtete), zu antworten.

«Wir dementieren das auch nicht, wir äussern uns auch nicht, das wäre ja auch gerade bei dieser Materie sehr merkwürdig, wenn wir da uns zu jedem Bericht, der da wo erscheint, noch positionieren würden», sagte die stellvertretende Regierungssprecherin Christiane Hoffmann. Diese Positionierung steht bemerkenswerterweise im Einklang mit der «Nichtberichterstattung» deutscher Medien. Synchronizität zwischen Politik und Journalismus – wieder einmal. Die eine Seite will weder dementieren noch bestätigen, die andere will am liebsten gar nichts hören, was von der fünfzehn Meter Yacht «Andromeda», die als «wichtigste Spur» dargestellt wird, abweicht.

Marcus Klöckner ist Journalist und Autor. Zuletzt von ihm erschienen: «Möge die gesamte Republik mit dem Finger auf sie zeigen. Das Corona-Unrecht und seine Täter», Rubikon.

Marcus Klöckner ist Journalist und Autor. Zuletzt von ihm erschienen: «Möge die gesamte Republik mit dem Finger auf sie zeigen. Das Corona-Unrecht und seine Täter», Rubikon.