Tschaikowskys «Die Jungfrau von Orléans» hätte es werden sollen. Nun ist es die italienische Version von Jeanne d’Arc, «Giovanna d’Arca» von Verdi. Zwei Monate vor der Premiere hat das Theater St. Gallen die geplante Oper der Festspiele durch eine andere ersetzt und sie so gewissermassen entrussifiziert.
Das kommt wenig überraschend, es geschieht derzeit von Zürich über München bis nach Mailand. Fragen bleiben dennoch. Jeanne d’Arc: Die Dame war Französin, richtig? Und diente nicht das gleichnamige Werk von Friedrich Schiller als Vorlage für die Oper? Das klingt nicht nach einer problematischen Story rund um gewaltverherrlichende Zaren, die man für sensible Gemüter aus dem Programm kippen müsste.
Wäre da nur nicht die Musik. Denn der «slawische Einschlag» sei bei Tschaikowsky unverkennbar, wie Theaterdirektor Werner Signer im St. Galler Tagblatt sagt. Eine denkwürdige Formulierung. Man stelle sich vor, die Polizei würde einen Fahndungsaufruf nach einem Täter mit dem Merkmal «slawischer Einschlag» publizieren: Twitter würde toben.
Auch bemerkenswert: Das restliche musikalische Programm bleibt unverändert, obwohl es mehrere Werke russischer Herkunft enthält. Das sei aber unproblematisch, weil diese Konzerte in Innenräumen stattfänden. Man bekommt sie also nur zu hören, wenn man bewusst hineingeht. Und man kann ins Freie flüchten, wenn man den slawischen Einschlag nicht mehr erträgt. Aber die Oper von Tschaikowsky unter freiem Himmel hätte die ganze St. Galler Altstadt beschallt.
Da hat man gerade noch rechtzeitig eingegriffen. Nicht auszurechnen, wenn nichtsahnende Passanten mit Tschaikowsky konfrontiert worden wären.