Wenn ein Journalist einen wichtigen Politiker interviewt, dann geht es bei uns zuerst einmal um die Frage der Hackordnung: Wer ist wichtiger, der Interviewer oder der Interviewte?

Aus Sicht unserer Medien ist es natürlich der Interviewer. Der Journalist kann nun zeigen, was für ein Teufelskerl er ist. Das beweist er am besten damit, dass er dem Interviewten dauernd ins Wort fällt und ihn mit allerlei Unterstellungen eindeckt. Dann ist er ein sogenannt kritischer Journalist.

Tucker Carlson tat das bei seinem Interview mit Wladimir Putin nicht. Er befragte ihn zu seinen Ansichten, liess kein wichtiges Thema aus und moderierte ohne aufgeregtes Geschrei. Er liess Putin öfters sogar dann ausreden, wenn der ins abgehobene Monologisieren geriet. Carlson wollte kein toller Teufelskerl sein.

Das nahmen ihm die Berufskollegen natürlich übel. Ein «unkritisches Interview» erkannte das Schweizer Fernsehen. «Unkritische Fragen von einem wohlgesonnenen Moderator» erkannte der Spiegel. «Fragen und Antworten wie bestellt», erkannte der Tages-Anzeiger.

Hier stossen zwei Stilformen aufeinander, der germanische und der amerikanische Stil. In deutschen Talkshows, von Markus Lanz bis Louis Klamroth, ist der Auftritt der Interviewer oft gehässig und aggressiv. Es ist üblich, den Gästen das Wort abzuschneiden und sie zu diffamieren, besonders dann, wenn sie politisch konservativ denken.

In den USA ist solcher Krawall-Journalismus nicht denkbar. Tucker Carlson bewegt sich in der Tradition grosser Interviewer wie Larry King, Oprah Winfrey und Johnny Carson. Sie waren im Studio alle höflich und verbindlich. Niemand von ihnen wäre je auf die Idee gekommen, vor der Kamera wie ein Rumpelstilzchen herumzutoben, so, wie das auf deutschen Kanälen üblich ist.

Die europäischen Journalisten nennen ihn unkritisch. Es ist etwas anderes. Carlson stammt aus einem steinreichen Haus und wurde vorübergehend in einem Schweizer Internat erzogen. Der Mann hat einfach eine gute Kinderstube.