Fakt ist: Die durchschnittlichen Strompreise für Schweizer Haushalte stiegen in den vergangenen zwei Jahren um satte 50 Prozent, von rund 20 (langjähriger Schnitt) auf 32,14 Rp./KWh; im vergangenen Geschäftsjahr beglückte die Axpo, mit 40 Prozent Marktanteil der grösste Stromkonzern der Schweiz, seine Kader dank erspriesslicher Gewinne mit saftigen Boni; allein Axpo-Ceo Christoph Brand steigerte sein Jahresgehalt um satte 80 Prozent, von 1,1 auf 1,8 Millionen Franken.

Die Weltwoche stellte beides in einen Zusammenhang. Der Vorwurf: Die Stromkonzerne verdienen sich an der Energiewende eine goldene Nase, ohne viel zu leisten. Statt den Strom in der Schweiz zu produzieren, wenn man ihn braucht, spekulieren sie auf dem europäischen Markt, der mit der unsteten Produktion von Wind und Sonne irrwitzigen Preisschwankungen ausgesetzt ist. Je schlechter die Versorgungslage, desto fetter ihre Gewinne.

Die PR-Abteilung des zu 100 Prozent staatlich kontrollierten Stromriesen bläst nun zur Gegenoffensive. Alles Fake News, sofern man dem «Faktencheck» von Axpo glauben will.

Boni, so ist da etwa zu lesen, gebe es bei der Axpo nicht, lediglich erfolgsabhängige Löhne. Aber sicher doch – wo liegt der Unterschied? Axpo habe im Übrigen gar keinen Einfluss auf den Strompreis in der Schweiz und liefere seine Gewinne dem Staat ab. Mag stimmen. Doch Axpo dementiert hier etwas, was in dieser Form gar nicht behauptet wurde.

Fakt ist: Hauptursache für die Preisexplosion beim Strom in Europa sind die gestiegenen Kosten für Gas und Erdöl, der deutsche Atomausstieg und die Dunkelflauten. Doch der Schweizer Strombedarf wird fast vollständig durch Wasser und Atom gedeckt. Und dort gibt es keine Preisschwankungen. Warum sollten die Schweizer plötzlich 50 Prozent mehr zahlen? Wohin fliesst dieses Geld?

Kernaufgabe der Axpo ist es, die Versorgung der Schweiz mit sicherem und günstigem Strom zu gewährleisten, lückenlos und zu jeder Zeit. Doch während die Stromproduktion im Land seit Jahren stagniert, verlegen sich die Stromriesen zusehends auf den einträglichen Handel auf dem flatterhaften europäischen Markt. Die Integration in Europa kann aus ihrer Sicht nicht schnell genug vorangehen. Importe sollen die Versorgung sicherstellen.

Die Preisfrage lautet: Werden die Deutschen, Franzosen, Italiener und Österreicher wirklich solidarisch an die Freunde in der Schweiz denken, wenn bei ihnen selber der Strom knapp wird? Wird unsere Versorgung wirklich sicherer, wenn wir uns voll auf sie verlassen? Zweifel sind angebracht. Sicher ist, dass solche Mangellagen infolge der deutschen Energiewende rasant zunehmen. Und dass der Strom für alle massiv teurer wird, die sich an diesem Abenteuer beteiligen.

Doch anstatt die Lehren aus dem deutschen Fiasko zu ziehen, besingen die Spindoktoren der Axpo Wind- und Solaranlagen in den höchsten Tönen. So erklärte Martin Koller, Chefökonom der Axpo, kürzlich in der SRF-«Tagesschau» allen Ernstes den rekordtiefen Stand in den Schweizer Stauseen mitten im Winter zu «Good News». Der Export in die von Dunkelflauten geplagte Nachbarschaft laufe bestens. Mit der Solarenergie, die im Frühling anfalle, können man sie Seen dann locker wieder auffüllen.

Nein, Herr Chefökonom – im Frühling und Sommer, wenn sie am meisten liefern, brauchen wir die Solarpaneele nicht mehr. Weil die Schneeschmelze dann schon heute für mehr als genug Strom sorgt. Strommangel herrscht im Winter, wenn Solarpaneele so gut wie nichts liefern und der Wind bei flachen Drucklagen europaweit bisweilen wochenlang streikt. Und als saisonale Speicher taugen unsere Stauseen leider auch nicht, dafür sind sie viel zu klein. Es würde sich auch nicht rechnen.

Definitiv surreal wird es, wenn die Axpo eine Steigerung der Mitarbeiterzahl um 40 Prozent in den letzten fünf Jahren als hervorragendste Leistung des Managements anpreist. Da die Stromproduktion in der Schweiz, die «Raison d’être» der Axpo, seit Jahren stagniert, bedeutet das lediglich, dass immer mehr Mitarbeiter immer weniger und dafür umso teureren Strom produzieren. Wäre die Axpo tatsächlich ein privates Unternehmen, als das sie sich zumindest bezüglich der Cheflöhne gebart, müsste die gesamte Führungscrew bei einer derartigen Erfolgsbilanz fristlos gefeuert werden.