Es ist hochinteressant, was wir jetzt in Echtzeit erleben. Der amerikanische Präsident, Donald Trump, schockt die Weltmärkte mit seiner Handelspolitik. Die Börsen kommen ins Rutschen, dann schiessen sie wieder hoch. Zuerst hebt er die Zölle an, denn setzt er sie für neunzig Tage wieder aus, mit einer Ausnahme: China. Der amerikanische Präsident scheint gewillt, gegen den asiatischen Riesen einen Handelskrieg zu starten. Als Exportnation ist China verwundbarer als die Vereinigten Staaten von Amerika. Ob das Kalkül aufgeht, ist offen.

Unsere Medien und die meisten Politiker sind sich, wieder mal, in ihrem Urteil einig: Trump ist ein Irrlicht, ein Unsicherheitsfaktor. Er weiss nicht, was er tut. In die Meinungen mischt sich Selbstgefälligkeit. Das ist gefährlich. Gerade in Europa, in Deutschland, aber auch in der Schweiz, breitet sich seit einigen Jahren nun schon diese herrenreiterliche, rechthaberische Attitüde aus. Die Moralisten brauchen Schreckgespenster, um sich selber zu erhöhen, innenpolitische Feinde, Bedrohungen von aussen, Populisten, Rechte, lange Zeit Putin, jetzt Trump.

In jeder Aufregung steckt ein Körnchen Wahrheit, und es ist nicht falsch, die Grossmächte mit Skepsis zu betrachten. Misstrauen ist eine solide demokratische Tugend. Man sollte sie allerdings und vielleicht zuerst auf sich selber anwenden. Es ist ja nicht so, dass die bei uns tonangebenden Eliten in Medien und Politik alles richtig gemacht hätten. Wäre dies der Fall, warum versinken dann die Staaten der EU in einem Abgrund von Schulden, Kriminalität, Verlotterung, militärischer Verwahrlosung? 

Zunächst: Trumps Diagnose ist richtig. Der internationale Freihandel ist kaputt, unfrei, eingesperrt, zugemauert mit Handelsschranken, verfälscht durch Subventionen, industriepolitische Massnahmen, grünideologische Verzerrungen. Einer der Hauptsünder ist China. Das unglaublich tüchtige Grossreich im Osten wirft zwar brillante, kostengünstige Produkte auf den Markt, unterläuft seit Jahren aber auch die Welthandelsregeln zum Schaden nicht nur der US-Industrie. Auch deutsche, Schweizer und andere Unternehmen leiden. 

Nicht viel besser aber ist die EU, dieses Korallenriff der Bürokratisierung, ein Kerker an Vorschriften und staatlichen Interventionen. Brüssel spielt sich gerne als Gralshüter der Freiheit auf. Das ist kühn. Europas Unternehmer ächzen und stöhnen unter dem Dauerfeuer regulierungswütiger Eurokraten, an deren Spitze eine auf dem Papier konservative Politikerin, Madame von der Leyen, eigentlich zum Rechten schauen sollte. Anstatt sich jetzt hochnäsig an Trump die Schuhe abzuputzen, sollten unsere Bürgerlichen sich an ihm ein Beispiel nehmen.  

Trump ist kein Zollfanatiker, kein Abschotter, kein Protektionismus-Ideologe. Sonst hätte er die Tarifkeule jetzt nicht ausgesetzt. Wer sich die Mühe nimmt, den Handelsbericht seiner Regierung durchzulesen, erkennt andere Motive seiner Politik. Trump will den internationalen Handelsbeton mit der Zollwaffe aufknacken, das aus dem Gleichgewicht geratene System wieder fairer, ausgeglichener gestalten. Natürlich stehen dabei amerikanische Interessen im Vordergrund, aber die Stossrichtung seines Handelns ist richtig. Trump ist ein Freiheitskämpfer, ein Entfessler, kein Zerstörer.

Seine Zollpolitik ist klassisch trumpscher «art of the deal». Man stellt eine Maximalforderung und geht dann mit weniger, aber immer noch als Gewinner vom Tisch. Seine Kritiker sollten also nicht zu laut jubeln. Man darf bezweifeln, dass Trump jetzt unter Druck «einknickte». Gegenüber allen Staaten ausser China holte er 10 Prozent heraus. Das kann er im Inland als Erfolg verkaufen. Zudem wollen jetzt alle nach Washington pilgern, um noch bessere Bedingungen herauszuholen. Verschärft allerdings hat er seinen Kurs gegen Peking. Da legte er sogar noch eine Schippe nach. 

Droht jetzt ein grosser Handelskrieg? Vermutlich läuft er bereits. Trump hat nie ein Geheimnis daraus gemacht, dass er nicht länger bereit ist, die Auslagerung der amerikanischen Industrie nach China hinzunehmen. Umso weniger, als die Chinesen wie erwähnt auch mit schummrigen Subventionsmassnahmen sich Vorteile im Wettbewerb ergattern. Es gibt nichts Neues unter der Sonne. Schon immer rivalisierten Grossmächte: Persien gegen Griechenland, Athen gegen Sparta, Rom gegen Karthago, heute China gegen die USA. 

Bis jetzt handeln die Europäer durchaus vernünftig. Man zeigt zwar Muskeln, droht mit Gegenzöllen, lässt sich aber nicht auf ein konkretes Armdrücken ein. Bis vor kurzem galt China in Brüssel noch als Inbild finsterster Autokratie. Jetzt auf einmal breiten sich bei den einstigen China-Kritikern Frühlingsgefühle in östlicher Richtung aus. Vermutlich ist es am klügsten, wenn man sich von Trump positiv inspirieren lässt: Abbau von Handelsschranken, Entlastung von Bürgern und Unternehmen, mehr Freiheit, weniger Staat. Es bringt nichts, gegen Washington auf Konfliktkurs einzuschwenken. 

In Deutschland schreiben die Medien über den Koalitionsvertrag zwischen CDU/CSU und SPD. Die Begeisterung hält sich in Grenzen. Für einen Schweizer ist das Konvolut dieses Abkommens eine Zumutung an staatlichen Ein- und Übergriffen. Aber andere Länder haben andere Sitten. Möglicherweise ist dieses Papier bald vergessen, und die neue Regierung entwickelt neue Programme an der Wirklichkeit. Dem mutmasslichen Kanzler Friedrich Merz ist dabei Glück zu wünschen. Deutschland ist ein schönes Land von grosser Bedeutung. Wenn es den Deutschen gutgeht, geht es allen besser.