Es wird dieser Tage viel diskutiert über die angebliche oder tatsächliche «Impf-Lüge». Ein grosser Teil der Debatte dreht sich dabei um die Frage, ob und von wem verbreitet worden war, dass die Covid-Impfung vor Übertragung schütze.

Sogar Gesundheitsminister Alain Berset geriet wegen seiner Aussage zum Covid-Zertifikat ins Kreuzfeuer der Kritik, wird jedoch von seinen Unterstützern nach wie vor in Schutz genommen.

Dabei wird übersehen, dass sich die offizielle Schweiz schon lange zuvor – nämlich am 20. April 2021 – zu ebendieser spezifischen Impfwirkung unmissverständlich bekannt hat. An jenem Tag nämlich wurde die Quarantänepflicht für gegen Covid-19 geimpfte Personen aufgehoben. Die rechtliche Grundlange für diese Erleichterung lieferte das Covid-19-Gesetz im Artikel 3a, Absatz 1, wo es zu diesem Zeitpunkt lautete: «Personen, die mit einem Covid-19-Impfstoff geimpft sind, der zugelassen ist und erwiesenermassen gegen die Übertragung schützt, wird keine Quarantäne auferlegt.»

Die Formulierung lässt keinen Zweifel zu: Der Schutz muss erwiesen sein. Und dies absolut. Nicht teilweise oder in den meisten Fällen.

Der unwiderlegbare Beweis für den Fremdschutz hätte also an diesem Tag vorliegen müssen. So verlangte es das Gesetz. Erst am 17. Dezember 2021 wurde der Text angepasst. Seither lautet er, etwas schwammig formuliert: «Personen, die mit einem Covid-19-Impfstoff geimpft sind, der zugelassen ist und hinreichend gegen die Übertragung schützt, wird keine Quarantäne auferlegt.»

Aber beim Entscheid zum Quarantäne-Aus für Geimpfte galt nach wie vor die Fassung vom 19. März 2021. Christoph Berger, der an jener Pressekonferenz die frohe Botschaft überbringen durfte, eröffnete sein Statement (im Video ab 23:30) folgendermassen: «Ich gebe Ihnen gerne einige Informationen zur aktualisierten Impfstrategie und zu den Impfempfehlungen. Die wissenschaftlichen Daten bestätigen die hervorragende Wirksamkeit der mRNA-Impfstoffe vor schweren Infektionen und Hospitalisationen. Aber mehr als das: Sie zeigen das auch gegenüber milden und asymptomatischen Infektionen.»

Danach sprach der Impf-Chef einige weitere Punkte an, welche für diesen Beitrag unerheblich sind. Konkret in Bezug auf das Quarantäne-Aus für Geimpfte äusserte er sich dann wie folgt: «Ein weiteres Thema ist die Quarantänebefreiung für geimpfte Personen. Basierend auf diesen wissenschaftlichen Daten, die ich eingangs genannt habe, zur Wirksamkeit und Dauer des Impfschutzes und der indirekten Effekte auf die Übertragung, kommt die EKIF zusammen mit dem BAG zum Schluss, dass vollständig mit mRNA-Impfstoff geimpfte Personen ab 14 Tage nach der zweiten Impfung bei Kontakt mit einem bestätigten Fall für 6 Monate von der Quarantäne befreit sind.»

Leider verpassten es die damals anwesenden Journalisten – wie so häufig in den vergangenen zweieinhalb Jahren – diese entscheidende Frage zu stellen: Auf welchen Fakten basiert die Behauptung, die Impfung schütze vor einer Weitergabe des Virus an Dritte?

Und: Reichen die vorliegenden Daten aus, um feststellen zu können, dass die mRNA-Impfstoffe erwiesenermassen gegen die Übertragung schützen?

Aktuelle Ereignisse nähren die Brisanz dieser Fragen. So hat das BAG, wohl als Reaktion auf die hochkochende Impf-Lügen-Debatte, kürzlich die Informationen in seinen FAQ zur Corona-Impfung angepasst. Neu heisst es da: «Bei den anfänglich zirkulierenden Varianten (Ursprungs- und Alpha-Varianten), die bis ca. Mitte 2021 das Infektionsgeschehen beherrschten, konnte in Studien Hinweise für eine Reduktion der Virusausbreitung nach der Covid-19-Impfung beobachtet werden.»

«Hinweise für eine Reduktion». Das ist nicht die Evidenz, die gemäss Covid-19-Gesetz erforderlich gewesen wäre, um Geimpfte von der Quarantänepflicht zu befreien.

Jetzt, da mit der Diskussion um die Impf-Lüge ein Hauch von Aufarbeitungslust wahrnehmbar ist, haben die Medien Gelegenheit, ihre Versäumnisse nachzuholen.

Die Verschiebung der Impf-Lügen-Debatte müsste eigentlich auch für Juristen interessant sein. Denn die Frage muss nun nicht mehr lauten, wer was wirklich behauptet haben soll, sondern ob die offizielle Schweiz in Form von Bundesrat, EKIF und BAG an diesem 20. April 2021 überhaupt gesetzeskonform gehandelt hat.

 

Manuel Kuster (37) lebt in Portugal. Er ist freier Autor.