Da mein Vater aus ästhetischen Gründen (wie er auf Nachfrage gerne betonte) keine Antenne auf dem Hausdach duldete, hatten wir Mitte der siebziger Jahre nur zweieinhalb TV-Sender: SRG, ARD – und je nach Wetter etwas ZDF. Was blieb am Samstagabend also anderes als die «Peter-Alexander-Show»? Karel Gott, Anneliese Rothenberger, «Jopi» Heesters und immer wieder: Caterina Valente. Die Spätlese der Unterhaltungsindustrie des deutschen Wirtschaftswunders. Als Kind durfte ich das mitansehen. Es war reine Folter. Eine Art musikalisches Waterboarding, durchsetzt mit Altherrenwitzen. Und ausgerechnet Caterina Valente, diese Drei-Wetter-Taft-Tante mit ihren schrecklichen Liedern, fand ich am allerschlimmsten. Der biedere Musikclown war für mich damals der Inbegriff einer Welt, die ich vollständig und komplett ablehnte.

Dann – und es ist erst ein paar Jahre her – entdeckte ich auf Youtube das Video aus der «Dean Martin Show» aus dem Jahr 1966. Sie singt da den «One Note Samba» und dirigiert dabei Dean Martin, einen der grössten Entertainer seiner Zeit. Sie tut das mit einer Selbstverständlichkeit und mit einem Selbstbewusstsein, die mich sprachlos liessen. Ich habe das Video damals an alle meine Freunde versandt. Wie unfassbar cool! Es stimmt einfach alles: Melodie, Mimik, Timing, Phrasierung. Und sie ist lustig. Sieht dazu mit der lockigen Kurzhaarfrisur auch noch blendend aus. Vielleicht war es der Höhepunkt ihrer Karriere. Für mich mit Sicherheit.

Sie brauchte keinen Künstlernamen. Sie hiess mit bürgerlichem Namen Caterina Germaine Maria Valente. Geboren im Jahr 1931 in Paris. Ihr Vater war Akkordeonist, ihre Mutter Clownin. Vielleicht konnte sie deshalb alles: Gitarre spielen und singen in beinahe jeder Sprache. Sie war ein musikalisches Übertalent. Und eine perfekte Entertainerin. Dazu hatte sie ein Gespür für die betriebswirtschaftlichen Aspekte der Unterhaltungsindustrie der Nachkriegszeit. Caterina Valente war von überdimensionalem Format – ein Superstar. Sie starb am 9. September in Lugano im Alter von 93 Jahren.