«Wir müssen mehr tun» – das ist die Überschrift eines aktuellen Aufrufs von siebzig Akteuren, die fordern, dass sich Deutschland und der Westen stärker in den Krieg in der Ukraine einbringen.

Die Gruppe aus Politikern und Osteuropa-Experten um den CDU-Politiker Norbert Röttgen appelliert, endlich «ernst zu machen bei der Unterstützung der Ukraine im Krieg gegen Russland». Der erste Satz des Appells lautet: «Die Ukraine verteidigt die Freiheit und Sicherheit des Westens.»

Die bessere Überschrift für den Appell wäre gewesen: «Wir beginnen mit einem Realitätsbruch». Es geht bei diesem Krieg nämlich nicht um «die Freiheit und Sicherheit des Westens». Schon gar nicht verteidigt diese Freiheit und Sicherheit die Ukraine.

Wenn jemand «kämpft» und «verteidigt», dann sind es ukrainische Soldaten, teilweise im Alter von Teenagern, die nicht ihr Land verlassen dürfen, weil sie im wehrfähigen Alter sind.

Hunderttausende von diesen «kämpfenden» und «verteidigenden» Ukrainern sind mittlerweile tot, schwer verwundet und traumatisiert – genauso wie russische Soldaten. Die Ukraine befindet sich einerseits in einem Verteidigungskrieg gegen Russland, aber – und das muss ausgesprochen werden – andererseits auch in einem Stellvertreterkrieg. Annahmen, die davon ausgehen, dass Russland bei einem Kriegsgewinn bis nach Berlin marschieren wird, entbehren der Realität.

Die Tage erschien ein Beitrag in der Berliner Zeitung, der die zunehmende «militärische Metaphysik» in unserer Zeit thematisierte. Die Lösung für den Krieg in der Ukraine scheint für manche berufene Experten nicht Verhandlungen, sondern noch mehr Krieg. «Ernst machen» – das wollen die siebzig Unterzeichner. Wie viel ernster soll es noch werden? Wie viel mehr Waffen sollen noch an die Front?

In dem bekannten Anti-Kriegslied «Fortunate Son» von Creedence Clearwater Revival heisst es: «Sie schicken dich in den Krieg. Und wenn du sie fragst, ‹Wie viel sollen wir geben?›, ist ihre einzige Antwort: ‹mehr, mehr, mehr›.»

So war es damals, so ist es heute.

Marcus Klöckner ist Journalist und Autor. Zuletzt von ihm erschienen: «Möge die gesamte Republik mit dem Finger auf sie zeigen. Das Corona-Unrecht und seine Täter», Rubikon.