Das Bundesgericht urteilt gegen die Zürcher Kantonsrätin Isabel Garcia, die kurz nach ihrer Wahl von den Grünliberalen zur FDP übergetreten war. Die hohen Richter heissen eine Beschwerde gut und übergeben den Fall an das Verwaltungsgericht das Kantons Zürich.

Sicher, ein solcher Parteiwechsel in einem solchen Zeitpunkt ist unschön. Die Wähler können sich veräppelt vorkommen.

Doch die unterlegene Minderheit der Bundesrichter hat schon recht, wenn sie sich gegen eine «Verrechtlichung des Politischen» wehrt und feststellt, das Volk habe bei der nächsten Wahl die Möglichkeit einer Korrektur.

Interessant an dem Fall ist aber vor allem, von wem was dabei nicht besprochen wird. «Politiker dürfen nicht alles», schreibt der Tages-Anzeiger. «Sie dürfen die Wahlbevölkerung zum Beispiel nicht täuschen. Sonst haben sie ihr Amt verwirkt.»

Hoppla! Wenn das so wäre, dann kämen wir aus dem Verwirken ja gar nicht mehr heraus. Warum las man solche Forderungen nicht, als Bundesrat Alain Berset (SP) unmittelbar vor einer Covid-Gesetz-Abstimmung wählertäuschend behauptete: «Mit dem Zertifikat kann man zeigen, dass man nicht ansteckend ist.» Hatte sein eigenes Bundesamt für Gesundheit doch zuvor öffentlich festgehalten, dass Geimpfte das Virus genauso weitergeben wie Ungeimpfte.

Warum las man solche Forderungen nicht, als der Bundesrat im Abstimmungsbüchlein zur Abstimmung über die Bilateralen I wählertäuschend behauptete: «Wie die Erfahrungen in der EU zeigen, sind die Ängste (...), die Einwanderung aus EU-Staaten in die Schweiz werde stark zunehmen, nicht begründet: In Wirklichkeit sind die Wanderungsbewegungen innerhalb der EU gering.» Statt der versprochenen maximal 10 000 kamen 70 000 bis 80 000 pro Jahr.

Warum las man solche Forderungen nicht, als das Parlament – pardon – wählerverarschend die Volksinitiativen zur Masseneinwanderung und zur Ausschaffung krimineller Ausländer nicht umsetzte?

Oder brandaktuell: Warum liest man solche Forderungen nicht, wenn der Bundesrat in den Erläuterungen zur Volksabstimmung über das Stromgesetz vom 9. Juni wählertäuschend behauptet: «Die Vorlage wahrt die demokratischen Mitsprachemöglichkeiten der Bevölkerung», während die direkte Demokratie auf Gemeindeebene bei Energieanlagen im «nationalen Interesse» faktisch ausgehebelt wird?

So gesehen, ist der Fall Garcia ein Pappenstiel gegen die permanenten Wählertäuschungen im grossen Stil. Nähme das Bundesgericht seine eigenen Massstäbe ernst, wäre es rund um die Uhr mit unseren lieben Politikern beschäftigt.