Joe Biden verzichtet auf eine zweite Amtszeit. Die Demokraten stecken in einem Schlamassel, das sie selbst angerichtet haben.

Sie haben Biden als potemkinschen Präsidenten installiert, hinter dessen magistraler Kulisse andere die Strippen zogen. In einer grandiosen Show machten die Demokraten das Land und die Welt glauben, Biden sei in charge. Und der glaubte es wohl bis zum Schluss selbst.

Dabei war längst klar, dass der 81-Jährige kaum ein paar Stunden am Tag aufnahme-, geschweige denn regierungsfähig ist. Spätestens nach dem vernichteten Bericht von Sonderermittler Robert Hur, in dem er Biden im Februar als «wohlmeinenden älteren Herrn mit einem schlechten Gedächtnis» und dessen Erinnerungsvermögen als «signifikant begrenzt» bezeichnete, wusste jeder, dass es mit seiner Präsidentschaft zu Ende geht.

Trotzdem hielt die Partei stur an Biden fest. Sekundiert von Mainstream-Medien, die pausenlos das Schreckgespenst Trump bewirtschaften. Bis am 27. Juni der Präsident während der TV-Debatte gegen Trump vor den Augen der ganzen Welt ab- und die Kulisse einstürzte.

Potente Donatoren kappten die Spenden-Pipeline. Promis, die eben noch für Biden die Werbetrommel gerührt hatten, liessen ihn fallen wie einen Aussätzigen.

Da der stolze Präsident nicht weichen wollte, traten nun die Parteibonzen auf den Plan. Dieselben Agitatoren, die jahrelang als Bidens Bauchredner fungierten, zwangen den König ohne Kleider in einer Palastrevolte schliesslich in Pension.

Wie geht es weiter? Die besten Chancen auf die Nominierung hat Kamala Harris. Doch mit ihr haben die Demokraten gleich das nächste Problem. Sie ist noch unpopulärer als ihr Chef. In den Primaries 2020 lag sie abgeschlagen am Ende des Kandidatenfeldes. Bis Joe Biden sie aus wahltaktischen Gründen – dunkle Hautfarbe, weibliches Geschlecht – portierte.

Biden hat Harris als seine Nachfolgerin für die Kandidatur empfohlen. Nominiert ist sie damit nicht.

Zwar hat sie gegenüber allfälligen anderen Kandidaten einen Vorteil. Sie profitiert von dem Geld, das bereits für ihre gemeinsame Kampagne gesammelt wurde. Doch alle rund 4000 Delegierten hatten sich auf Biden, nicht auf Harris als Präsidentschaftskandidat festgelegt.

Am Nationalkonvent der Demokraten Mitte August haben sie das letzte Wort. Sie können Bidens Empfehlung folgen, müssen aber nicht. Es gibt keine Vorschrift, die besagt, dass sie einen Kandidaten unterstützen müssen. Sondern nur, dass sie «nach bestem Wissen und Gewissen die Gefühle derjenigen widerspiegeln sollten, die sie gewählt haben», wie die Financial Times darlegt.

Nach dem ersten Wahlgang auf dem Parteitag sind die Delegierten nicht mehr «gebunden» und können für jeden Kandidaten stimmen.

Eine weitere Option sind «Minivorwahlen». Nachdem man auf Biden gesetzt und keine anderen Kandidaten zugelassen hatte, müsste man jetzt innert weniger Wochen einen Wettbewerb möglicher Bewerber abhalten. Logistisch wäre ein solcher Vorwahl-Schnelllauf kaum zu bewältigen.

Schliesslich gibt es die Möglichkeit einer open convention. Ein «offener Parteitag» findet dann statt, wenn kein Kandidat im Voraus feststeht. Ein solcher Showdown birgt die Gefahr, dass die Gräben in der Partei vertieft werden und die Lager heftig aneinandergeraten. Dass dies passieren würde, ist wegen des Gaza-Krieges sehr wahrscheinlich.

Der letzte «offene Kongress» der Demokraten ereignete sich 1968 und gipfelte in einem Chaos. Der damals amtierende Präsident Lyndon B. Johnson hatte sich aus dem Rennen zurückgezogen. Robert F. Kennedy, der nach der Krone griff, wurde ermordet. Darauf gewann Hubert Humphrey vor dem Hintergrund der Proteste gegen den Vietnamkrieg die Nomination. Und verlor die Wahl gegen Richard Nixon.