Die Deutsche Bahn hat im Juni einen neuen Tiefpunkt bei der Pünktlichkeit ihrer Fernzüge erreicht: Laut einem Bericht der Bild-Zeitung war im vergangenen Monat nur jeder zweite Fernzug (ICE, IC/EC) pünktlich. Konkret kamen lediglich 52,5 Prozent der Fernzüge termingerecht ans Ziel​​.

Im Vergleich dazu lag die Pünktlichkeitsquote im Januar dieses Jahres noch bei 63 Prozent, im März waren es sogar noch knapp 68 Prozent.

Besonders auffällig ist der Abwärtstrend, wenn man die Zahlen mit denen aus den letzten Jahren vergleicht: Seit 2012 wird die Pünktlichkeit der Züge erfasst und lag zunächst konstant um die 75 Prozent. 2020 fuhren gar 82 Prozent der Züge gemäss Zeitplan, 2021 waren es 75 Prozent, bevor der Wert 2023 auf 65 Prozent sank​​.

Detlef Neuss, Bundesvorsitzender des Fahrgastverbandes Pro Bahn, kritisiert die mangelnde Investition in das Bahnsystem: «Unser Bahnsystem ist marode, die Infrastruktur wurde jahrzehntelang auf Verschleiss gefahren, und es wurde zu wenig Geld in das System Bahn investiert. Auch die Personalsituation ist absolut unbefriedigend.»

Der Chef der deutschen Lokführer-Gewerkschaft GDL, Claus Weselsky, wird im Weltwoche-Interview noch deutlicher. Er, der meist mit der Bahn reist, rechnet einen Puffer von eineinhalb Stunden ein. Leider sei es so schlimm, dass er dem Pendler keinen Rat geben könne. «Er muss sich darauf einlassen.» Wenn der Bahnfahrer «Glück hat», komme er pünktlich an, «das kommt aber eher selten vor», so Weselsky.

Als Gründe für die niedrige Pünktlichkeitsrate nennt Pro Bahn vor allem Baustellen und unvorhergesehene Massnahmen bei Weichen- oder Signalstörungen. Das erhöhte Fahrgastaufkommen während der EM trage ebenfalls zu den Verspätungen bei.

Die Bahn selbst sieht die Ursachen für das Desaster in den extremen Wetterbedingungen, die Deutschland in der ersten Junihälfte heimgesucht haben. Ein Konzernsprecher der Bahn erklärte der Bild-Zeitung, die Flutschäden in mehreren Regionen Deutschlands im Juni hätten zu einem Pünktlichkeitsverlust von 15 Prozentpunkten geführt. Über 400 Fernzüge seien im Durchschnitt pro Tag von externen Einflüssen wie Hangrutschen, Überflutungen und Dammschäden betroffen gewesen​​.