Wie tief will die deutsche Politik noch sinken? Deutsche Soldaten sollen in die Ukraine – «zu gegebener Zeit» und «mit robuster Ausrüstung». Das sagte zumindest Roderich Kiesewetter. Nun ist der CDU-Verteidigungspolitiker als Hardliner gegenüber Russland bekannt. Dass von ihm derartige Aussagen kommen, überrascht nicht. Allerdings gibt es vonseiten seiner Partei, aber auch überhaupt von den etablierten Parteien nahezu keinen Widerspruch. Und somit werden Positionen, die mit dem Wissen um die deutsche Vergangenheit nicht zu vereinbaren sind, in die Politik eingeführt.

Soldaten der Wehrmacht sind – je nach Quellen – für 27 Millionen tote Sowjetbürger verantwortlich. Dazu zählen Menschen, die auf dem Gebiet der heutigen Ukraine gelebt haben – aber auch Millionen von Russen. Die Vorstellung, dass deutsche Soldaten mit Gewehren in der Ukraine bei einem Kriegsende als «friedenssichernde» Truppe in einem auch dann noch brandgefährlichen Konflikt Russland gegenüberstehen, ist unerträglich. Die Geschichte hat der deutschen Politik den Ball vor den Fuss gelegt. Deutsche Politiker hatten eine grosse Chance, als Friedensstifter zu agieren. Stattdessen hat das Land einseitig Partei ergriffen.

In einem geostrategisch und tiefenpolitisch hochgradig aufgeladenen Konflikt hebt Deutschland bei der Ukraine die Millionen von Kriegsopfern der Wehrmacht als «Unterstützungsgrund» hervor, während bei Russland so getan wird, als gäbe es diese Millionen Toten nicht. Zumindest entsteht dieser Eindruck! Auch wenn Russland die Ukraine angegriffen hat: Hier wäre von deutscher Seite salomonische Weisheit gefragt gewesen und keine historische Asozialität.

Hatte das «Land der Dichter und Denker» in dieser schwierigen Gemengelage nicht mehr zu bieten als Waffenlieferungen für die einen und die Verdammung der anderen? Vermag die deutsche Politik es denn noch nicht einmal heute, nach fast drei Jahren Krieg, sich zu besinnen?

Die Politik der Konfrontation mit Russland ist gescheitert. Hunderttausende getötete, verstümmelte und traumatisierte Soldaten auf ukrainischer und russischer Seite zeugen davon. Die Konfrontationspolitik ist nicht die Lösung – sie ist Bestandteil des Übels. Kiesewetter mag dem widersprechen. Die Realität sagt etwas anderes!

Marcus Klöckner ist Journalist und Autor. Demnächst erscheint von ihm: «Kriegstüchtig! Mobilmachung an der Heimatfront».