Magdeburg

Der westfĂ€lische HausgerĂ€tehersteller Miele, seit Generationen in Familienbesitz, Inbegriff des deutschen Mittelstands, verlagert seine Produktion nach Polen. In Deutschland seien die Energiekosten viel zu hoch. Ausserdem leide die Wirtschaft unter Vorschriften und BĂŒrokratie, sagt Firmenchef Markus Miele. Das Unternehmen kehrt der Bundesrepublik den RĂŒcken. 2000 ArbeitsplĂ€tze gehen verloren. Die Hiobsbotschaft schockiert. Deutschland deindustrialisiert sich.

WĂ€hrend Zehntausende «gegen rechts» auf die Strasse gehen und sich vor einer RĂŒckkehr des Nationalsozialismus fĂŒrchten, brennt es im produzierenden Gewerbe, wie die Zeitschrift Focus schreibt, «lichterloh». Allein die Chemieindustrie habe innert zweier Jahre 23 Prozent ihrer Produktion verloren. Grosskonzerne von BASF, Bayer bis hin zu Conti und Volkswagen kĂŒndigen Massenentlassungen an. Die weltweit erfolgreiche Getriebefabrik ZF Friedrichshafen baut 1200 ArbeitsplĂ€tze ab.

Der Grund fĂŒr den Exodus und die wirtschaftliche Misere ist bekannt: Deutschland entfernt sich von den erfolgreichen GrundsĂ€tzen der Nachkriegszeit. Leichtsinnig und wohl auch etwas gleichgĂŒltig nach Jahrzehnten des Wohlstands und der brillanten Erfolge, haben die Deutschen die Marktwirtschaft verlernt, ihren Staat aufgeblĂ€ht und Ideologen, TraumtĂ€nzer an die Macht gewĂ€hlt, die zwar starke Überzeugungen, aber wenig Ahnung vom Geldverdienen haben.

Muss Deutschland erst pleitegehen, bevor sich etwas Ă€ndert? Diese bange Frage bejahen inzwischen beunruhigend viele. Anstatt die Probleme zu lösen oder wenigstens anzuerkennen, verlieren sich die etablierten Parteien im Hickhack kleinkarierter Auseinandersetzungen. FieberschĂŒbe der Hysterie peitschen den Politbetrieb, zuletzt die «EnthĂŒllungen» eines linken Aktivistenportals, die sich inzwischen schrittweise als Fake News entpuppen. Trotzdem beten sie fast alle glĂ€ubig nach.

Man wĂŒnscht den Deutschen mehr Gelassenheit, mehr republikanisches Selbstvertrauen. Doch zu beobachten ist das Gegenteil. Die Verwirrung greift um sich, sie nistet sich schon in der Sprache ein. «Demokraten gegen rechts» lautet der zurzeit beliebte, sich selber aber ad absurdum fĂŒhrende Schlachtruf aus dem Justemilieu, denn eine Demokratie, in der es nur noch Linke und keine Rechten mehr geben darf, ist keine Demokratie, sondern eine linke Despotie.

Das haben inzwischen auch die bĂŒrgerlichen Medien gemerkt, wie etwa eine NZZ oder die Frankfurter Allgemeine. AllmĂ€hlich dĂ€mmert ihnen, dass der «Kampf gegen rechts», an dem sich auch CDU/CSU und FDP so willig beteiligt haben, am Ende auf sie selber zurĂŒckschlĂ€gt. Politologen werden dereinst zu erforschen haben, was die traditionellen bĂŒrgerlichen Parteien und die ihnen zugewandten ZeitungshĂ€user geritten hat, dass sie sich dermassen brav vor den Karren der Linken haben spannen lassen.

Zum Problem fĂŒr den deutschen Wohlstand wird zusehends die EuropĂ€ische Union. Die EU ist vom vertrauensspendenden Vaterlandsersatz nach dem letzten Weltkrieg zum bĂŒrokratischen Albtraum und zum Risiko fĂŒr die Demokratie geworden. In BrĂŒssel sind alle fĂŒr alles verantwortlich und niemand fĂŒr etwas.

Noch 1980 waren die Bundesrepublik und die Vereinigten Staaten beim Wohlstand pro Kopf gleichauf. Inzwischen liegt Deutschland 40 Prozent im Hintertreffen. Das hat auch mit der EU zu tun. Sie konnte ihr wichtigstes Versprechen nicht halten: durch eine Freihandelszone den produktivsten und wettbewerbsfĂ€higsten Binnenmarkt der Welt zu schaffen. Siebzehn von 27 EU-MitgliedslĂ€ndern sind heute schlechter dran als der Ă€rmste Staat der USA, Louisiana. Kein Wunder, verbreitet sich in der deutschen Elite Panik.

Deutschland steht an einer wirtschaftlichen Abbruchkante. Die EU fĂ€llt im Wachstum laufend zurĂŒck. GrĂŒne TrĂ€ume vom ökologischen Totalumbau einer einst glorreichen Industrie nach dem Drehbuch des niederlĂ€ndischen LangzeitfunktionĂ€rs Frans Timmermans lösen wenig Freude aus. Anstatt zu funktionieren, wird BrĂŒssel autoritĂ€rer. Widerspruch ist unerwĂŒnscht. Renitente Mitglieder, die lediglich ihr Grundrecht auf eine andere Meinung in Anspruch nehmen, sehen sich unter massiven Druck gesetzt.

Wie weiter? In Deutschland, das wird offensichtlich, regiert die Inkompetenz. Die Bundesrepublik kann sich die grĂŒnen Experimente nicht mehr lĂ€nger leisten. Verheerend wirkt sich zudem die Konfrontationspolitik gegen Russland aus. Sie ist nicht im deutschen Interesse. Das bedeutet nicht, dass man Putins Strategie rechtfertigt, aber ohne die gĂŒnstigen Rohstoffe aus dem Osten droht die deutsche Wirtschaft zu ersticken. Eine RĂŒckkehr zum Common Sense auch hier ist ĂŒberfĂ€llig.

Der Deutsche, diagnostizierte Ludwig Erhard, GrĂŒndervater der sozialen Marktwirtschaft, beweise höchste Tugend in der Not. Die Frage sei, ob er im gleichen Masse den Stunden des GlĂŒcks gewachsen sei. Die grössten Dummheiten passieren immer, in der Familie, im GeschĂ€ft, in der Politik, wenn es den Leuten zu gut geht. Die Menschen werden ĂŒbermĂŒtig, leichtsinnig. Sie bilden sich ein, das Rad neu zu erfinden, bewĂ€hrte GrundsĂ€tze ĂŒber Bord werfen zu können.

Deutschland mĂŒsste zurĂŒck zum Erfolgsmodell der frĂŒhen Bundesrepublik: politische Bescheidenheit, soziale Marktwirtschaft, eine lebhafte Streitkultur von links bis rechts, starke BundeslĂ€nder und, ganz wichtig, die aussenpolitische BrĂŒckenstellung zwischen Ost und West. Konrad Adenauer forcierte die Westbindung, Willy Brandt suchte den Ausgleich mit dem Osten. Die alte Bundesrepublik war eine Friedensmacht – mit einer intakten Bundeswehr. Die Rezepte liegen vor. Jetzt braucht es nur den Mut, sie umzusetzen.