Dieser Text erschien zuerst auf dem Online-Portal The European

Das Bundesverfassungsgericht hat vergangene Woche die Schuldenbremse und klassische Haushaltsgrundsätze der Finanzverfassung mit einem Paukenschlag verteidigt. Als Folge stehen nun mindestens 60 Milliarden Euro Kreditermächtigungen im Feuer. Die Auswirkungen treffen direkt den Klima- und Transformationsfonds (KTF), da hier die unzulässige Umbuchung erfolgte, aber auch andere Sondervermögen sowie die Haushalte der Bundesländer sind betroffen. Was das genau bedeutet, ist noch offen!

Zwei Reflexe werden aber auf jeden Fall keine Hilfe sein: Zum Ersten sind das Debatten, die Steuern zu erhöhen, und zum Zweiten das Schleifen, Aussetzen oder gar Abschaffen der Schuldenbremse. Das wäre weder ein ehrlicher Ansatz noch eine Politik im Sinne der geltenden Verfassung. Vielmehr muss die Politik entschlossen definieren, was sie hat und was sie will. Daraus muss eine sachliche Gegenüberstellung erfolgen.

Karlsruhe verhindert expansive Ausgabenpolitik

Die weitgehend auf Schulden basierende Klima- und Energiepolitik der Ampel-Koalition ist seit vergangener Woche kaltgestellt. Und damit auch die expansive Ausgabenpolitik im und ausserhalb des Bundeshaushaltes. Mit Blick auf den KTF ist die vom Gericht verwehrte Nutzung von 60 Milliarden Euro Kreditermächtigungen vor allem als Verhinderungsurteil zu werten, denn diese Kreditermächtigungen sind bisher noch gar nicht genutzt worden. Allerdings sind sie bereits fest in der Finanzplanung des KTF verankert. In den kommenden Jahren sollen dann Subventionen im grossen Stil über neue Schulden finanziert werden. Mit der Entscheidung aus Karlsruhe muss der Bundesfinanzminister die Notbremse ziehen. Die Folge ist nun ein Ausgabenstopp für den KTF. Alle bisher erteilten Subventionsversprechen müssen wieder auf den Tisch und kritisch hinterfragt werden, denn der dafür vorgesehene Scheck ist geplatzt.

Panik ist fehl am Platz, dennoch wirkt die öffentliche Debatte so. Noch sind finanzielle Polster aus den Vorjahren ausreichend, denn der Fonds leidet anhaltend unter einem schlechten Mittelabfluss. Zudem kann der KTF auf eigene Einnahmen aus dem europäischen Emissionshandel und der nationalen CO2-Besteuerung zurückgreifen. Diese betragen kommendes Jahr rund 20 Milliarden Euro, mit stark steigender Tendenz durch die stetige Erhöhung der CO2-Preise. Aber: An diese Einnahmen müssen sich die ursprünglich deutlich überhöhten Fondsausgaben perspektivisch anpassen. Beibehalten sollte die Politik am Ende der Konsolidierung die nachweislich effektivsten und gesamtgesellschaftlich wichtigsten Massnahmen. Kurzum: Jetzt ist die Zeit für Prioritäten!

Ausgaben des Bundeshaushaltes überprüfen

Wer nur auf den KTF schaut, begreift allerdings nicht die Dimension. Dieses Sondervermögen ist lediglich ein kleiner Bruder neben 28 weiteren Geschwistern des Bundeshaushalts. Der Kernhaushalt wird wahrscheinlich auf 460 Milliarden Euro anschwellen. Im Bundeshaushalt müssen nun grosse Streichkonzerte zelebriert werden, um auch dem KTF helfen zu können, denn hier fehlen bekanntlich 60 Milliarden Euro für die Zukunft. Es sei denn, die Ampel hält nicht mehr an ihren Klima- und Transformationsplänen fest.

Für den Bundeshaushalt als solches sehen wir seit dem Winter 2020 eine massive Ausgabenexpansion. Damals, kurz vor Ausbruch der pandemischen Lage in Deutschland, legte die damalige Grosse Koalition erste Ausgabenpläne für das Jahr 2024 auf den Tisch. Die Ausgaben sollten sich auf 387 Milliarden Euro belaufen. Es folgten jährlich aktualisierte Eckwerte und Finanzpläne – und in jedem Jahr nach 2020 nahmen die Ausgabenwünsche der Politik für das Jahr 2024 zu. Schliesslich legte diesen Sommer die Ampel einen Etatentwurf mit Ausgaben von knapp 446 Milliarden Euro vor, der nach Abschluss der Beratungen im Bundestag weiter auf rund 460 Milliarden Euro angehoben werden soll. Ich rechne vor: Das sind rund 73 Milliarden Euro mehr als ursprünglich im Jahr 2020 für das Jahr 2024 vorgesehen.

Was will ich mit dieser Chronologie aufzeigen? Ganz einfach: Die Politik ist stoisch von einem «Höher, schneller, weiter» bei den Ausgaben getrieben. Auch die Bundestagswahl 2021 hat daran nichts geändert. Natürlich steht jeder neugewählten Regierung das Recht zu, eigene und neue politische Prioritäten zu setzen. Doch spiegeln sich diese Prioritäten nicht in alternativen Projekten, Massnahmen und Ausgaben zur Vorgänger-Regierung wider, sondern einfach nur in zusätzlichen Projekten, Massnahmen und Ausgaben. Die Folge: Der Bundeshaushalt wird grösser und grösser. So wird – nach heutigem Stand – der Haushalt für das Jahr 2024 merklich grösser ausfallen als der Etat des Krisenjahres 2020 – der von einer Schuldenbremse im Notlagenmodus, zwei Pandemie-Nachtragshaushalten und deutlicher Überschreitung der Regel-Kreditobergrenze geprägt war.

Mangelnder Sparwille und unerschöpfliche Ressortwünsche

Meine Aufforderung an die Politik ist: Analysiert genau, woher das Ausgabenwachstum seit dem Jahr 2020 kommt. Ein Fakt sind die enorm gestiegenen Zinslasten und Ausgabensteigerungen aufgrund der Inflation, die auch am Bund nicht spurlos vorbeigehen. Doch noch mehr als Zinsen und Inflation haben die einzelnen Ressortwünsche den 2024er Etat im Planungsablauf immer weiter anwachsen lassen – um deutlich mehr als 30 Milliarden Euro. Bis auf ein einziges Ressort haben alle Regierungsministerien gegenüber den Ursprungsplänen aus dem Jahr 2020 mehr Geld für 2024 zugebilligt bekommen – vor allem das Wirtschaftsressort, das Verkehrsministerium sowie die Budgets für Bauen und Verteidigung. Auf diese Ressorts müssen die Blicke zuerst gewendet werden, denn sie haben die grössten Zuwächse zu verzeichnen. Es ist zu prüfen, was bleiben soll und worauf verzichtet werden kann. Und das Einzelplan für Einzelplan, Ministerium für Ministerium, Behörde für Behörde.

Vor allem der Eigenkonsum der Regierung und der Verwaltung hat kräftig zugelegt. Binnen zweier Amtsjahre hat die Ampel-Regierung 11.500 neue Stellen in der Bundesverwaltung geschaffen, davon knapp 1800 in den Ministerien – also bei sich selbst. Mehr als 30.000 Mitarbeiter beschäftigt die Ampel inzwischen unmittelbar in den Ministerien, 300.000 in der gesamten Bundesverwaltung. Hinzu kommen mit dem Bauressort ein zusätzliches Ministerium und eine Rekordzahl an teuren Parlamentarischen Staatssekretären. Noch nie waren Regierung, Verwaltung und auch der Bundestag so XXL wie derzeit, weshalb der Eigenkonsum des Bundes seit 2020 um 15 Milliraden Euro zugelegt hat – 8 Milliarden Euro bei den Personalausgaben, 7 Milliarden Euro bei den Verwaltungskosten. Zusammen bringen es diese Positionen 2024 dann auf rund 67 Milliarden Euro.

Gleichfalls müssen Sozialtransfers überprüft werden. Schon seit Längerem entfernt sich die Politik vom Prinzip einer strengen Bedürftigkeitsprüfung. Der Trend, immer mehr steuerfinanzierte Sozialleistungen durch ausgedehnte Kriterien und Grenzen nahezu pauschal zu gewähren, muss durchbrochen werden. Augenfällig ist ebenfalls das Bürgergeld, dessen Ausgaben zusammen mit der Übernahme der Wohnungskosten von 26,5 Milliarden Euro vor Ausbruch der Pandemie auf knapp 39 Milliarden Euro im kommenden Jahr zulegen werden – ein Plus von fast 50 Prozent. Insgesamt ist ein Ausgabenmoratorium für den Bund nötig, und damit auch für Sozialleistungen.

Ein Land voller Subventionen und Finanzhilfen

Schliesslich verweise ich auf einen Politikbereich mit besonderer Dynamik – die Subventionen. Hier stellt die Ampel einen Rekord nach dem nächsten auf. Konkret: Bisher ist geplant, 2024 das Subventionsvolumen auf fast 70 Milliarden Euro auszudehnen. Im Vorkrisenjahr 2019 waren es weniger als 25 Milliarden Euro! Dramatisch ist vor allem die Entwicklung der Finanzhilfen – ob für einzelne Wirtschaftssektoren oder Privathaushalte. Diese ausgabewirksamen Subventionen sollen von rund 8 im Jahr 2019 auf rund 50 Milliarden im Jahr 2024 anwachsen – oft verteilt mit der Giesskanne, wie der E-Auto-Bonus, oder nahezu unwirksam, teuer beziehungsweise nicht messbar, wie diverse Klimaschutzförderungen.

Womit wir wieder beim KTF wären, der inzwischen fast 90 Prozent der grössten Finanzhilfen des Bundes auf sich vereint. Hier wiederhole ich mich gerne: Beibehalten sollte die Politik am Ende der Konsolidierung die nachweislich effektivsten und gesamtgesellschaftlich wichtigsten Massnahmen. Kurzum: Jetzt ist die Zeit für Prioritäten!

Reiner Holznagel ist Präsident des Bundes der Steuerzahler.