Chinesische Experten stellen die langfristige Haltbarkeit der «Brandmauer» in Deutschland gegen die AfD in Frage. Jiang Feng, Professor für Europäische Studien an der Shanghai International Studies University, erklärte der Berliner Zeitung: «Die ‘Brandmauer’ gegen die AfD ist auf die Dauer schwer zu verteidigen, die nun bundesweit die zweitstärkste, in allen fünf Ostbundesländern die stärkste Partei ist. Mancherorts hat die AfD fast die absolute Mehrheit gewonnen. Dass die jungen Wähler hauptsächlich die Parteien an zwei Polen der Parteienskala gewählt haben, verdient besondere Aufmerksamkeit.»

Der Wahlausgang selbst sei jedoch nicht überraschend, da die Machtverhältnisse vereinfacht wurden und eine Grosse Koalition aus Union und SPD nun möglich sei. Eine solche Regierung könnte jedoch problematisch werden, falls erwartete Reformen ausbleiben: «Die grosse Koalition birgt die Gefahr der Selbstzerstörung in sich», so der Professor.

China beobachtet zudem mit Interesse, wie sich Europa von den USA emanzipiert. Jiang verweist auf jüngste Aussagen von Friedrich Merz, der eine geringere Abhängigkeit von Washington forderte. Eine strategische Neuausrichtung könnte laut Jiang auch eine engere wirtschaftliche Zusammenarbeit zwischen Europa und China beinhalten. Die bisherige Sichtweise Pekings als systemischer Rivale müsse überdacht werden: «Es liegt auf der Hand, dass China wirtschaftlich eine starke Konkurrenz für Europa ist. Daraus aber ein Feindbild oder eine geopolitische Drohung zu machen, geht an der Tatsache vorbei, dass es nicht die Absicht Chinas ist, Europa kleinzuhalten oder gar zu bedrohen. Kein Chinese kommt auf eine solche verrückte Idee.»