Sowohl in London als auch in Paris versuchen die regierenden Konservativen mit vorgezogenen Neuwahlen das Steuer nochmals herumzureissen. Aber die Flucht nach vorne wird wohl in einem Fiasko enden, denn die Unzufriedenheit breiter Bevölkerungskreise ist enorm. Premier Rishi Sunak hat in Grossbritannien vorgezogene Neuwahlen für den 4. Juli 2024 angeordnet. Präsident Macron will mit nur 20 Tagen Vorlaufzeit bereits am 30. Juni (zweite Runde am 7. Juli) in Frankreich eine Neubestellung des Parlaments abhalten.

Die Wahlen fallen mitten in die Zeit der Fussball-Europameisterschaft (14. Juni bis 14. Juli). Anschliessend wird in Paris die Olympiade vom 26. Juli bis 11. August stattfinden. Hoffen Sunak und Macron, dass sich die Bevölkerung dannzumal hauptsächlich mit Fussball statt mit Politik beschäftigen wird und deshalb eher Stabilität und Kontinuität setzen wird?

In Grossbritannien wird es wohl zu einem Regierungswechsel nach links kommen. Labour (Sozialisten) führt in den jüngsten Umfragen mit 44 Prozent gegen nur 23 Prozent der Konservativen Tories (Sunak) und 12 Prozent der Reform-UK (Brexit-Partei). In Frankreich hat das Rassemblement National (Le Pen) mit 31,4 Prozent bei den Europa-Wahlen zwar einen Erdrutschsieg errungen. Dennoch ist eine neue Regierung unter der Führung des RN noch nicht gesichert, weil die Parteienlandschaft in Frankreich stark aufgesplittert ist. Aber die Linke wird sich wohl nicht zu einer Einheitsbewegung zusammenrotten, weil auch innerhalb der sozialistischen bis kommunistischen Bewegungen Uneinigkeit herrscht.

In Deutschland kommt es hingegen kaum zu vorgezogenen Neuwahlen, obwohl die Regierungskoalition bei den Europa-Wahlen nur noch auf 30 Prozent kam, was genau dem Wähleranteil der oppositionellen CDU/CSU entspricht. Die Ampel-Regierung wird wohl bis zum Herbst 2025 ausharren. Bis spätestens dann müssen Neuwahlen stattfinden. Die Ampel-Koalition würde bei vorgezogenen Wahlen massiv Stimmen einbüssen. Die FDP könnte sogar an der 5 Prozent-Hürde scheitern.

Die Regierenden werden mit einer Instrumentalisierung der Gerichte und der Medien krampfhaft versuchen die AfD weiter zu bekämpfen, um ihre Macht zu erhalten. Sie realisieren immer noch nicht, dass sie damit das Gegenteil erreichen, weil der Glaube in den Rechtsstaat durch die schon fast totalitären Machenschaften schon weitgehend geschwunden ist. Das Land ist politisch wie nie seit der Wende in Ost- und Westdeutschland gespalten. Da die Union bei einem Wahlsieg nicht mit der AfD paktieren will, kommt es wohl zu einer Neuauflage der erfolglosen «Grossen Koalition CDU/SPD». Mit der Absage an die AfD als Koalitionspartner würde die CDU/CSU die Ostdeutschen weitgehend von der Regierung ausschliessen, was dort wohl Unmut und Widerstand auslösen wird.

Diese politischen Ungewissheiten, die nur verhaltene Konjunkturerholung, der Ukraine-Krieg und leere Staatskassen sind Gift für den Euro, der leider wieder ins alte Fahrwasser geraten und seinen jahrelangen Sinkflug gegenüber dem Franken fortsetzen könnte. Die Wende am Devisenmarkt hat denn auch rascher als erwartet eingesetzt. Seit den Jahreshöchstständen 2024 haben der Euro zum Franken rund 3 Prozent, der USD und das Pfund je rund 2 Prozent verloren. Dies ist um so erstaunlicher als die Kapitalmarktzinsen (zehnjährigs Staatsanleihen) in einigen Euro-Ländern neue Jahreshöchststände erreicht haben, beispielsweise in Deutschland mit 2,66 Prozent (Ende 2023: 2,03), Frankreich 3,24 Prozent (2,56), Italien 4,07 Prozent (3,70), Österreich 3,20 Prozent (2,58). Auch in Grossbritannien sind die Zinsen seit Ende 2023 von 3,54 auf 4,34 Prozent angestiegen.