Dieser Artikel erschien erstmals am 27. Oktober 2023.

Vor wenigen Tagen wurde ich in einer Berliner Honoratiorenrunde Zeuge eines menschlichen Vulkanausbruchs: Eine erfolgreiche niedergelassene Ärztin, seit ihrem 18. Lebensjahr in Deutschland und hier ausgebildet, nannte die israelischen Bomben auf Gaza einen «Genozid am palästinensischen Volk» und bezichtigte die deutsche Mehrheitsgesellschaft, feige wegzuschauen. Die vorausgegangene Mordaktion der Hamas an wehrlosen Menschen im Grenzgebiet war ihr kein mitfühlendes Wort wert, die Feindschaft zu den Juden beherrschte sie.

 

23 Millionen Migranten

Diese Ärztin palästinensischer Herkunft wuchs im Westjordanland auf und ist deutsche Staatsbürgerin. Mit ihrem Ehemann, einem Palästinenser aus dem Gazastreifen, und ihren Kindern lebt sie seit vielen Jahrzehnten in Berlin. In der Statistik ist sie mit ihrer Familie ein Beispiel perfekter Integration, und doch zeigt sich, dass hier offenbar etwas misslungen ist.

Seit dem 7. Oktober haben in ganz Deutschland die Demonstrationen und Sympathie-Kundgebungen für die Hamas und die Interessen der Palästinenser die öffentlich sichtbaren Bekundungen des Abscheus vor dem Hamas-Terror bei weitem übertroffen. Es gab auch Gewalt, Türen wurden beschmiert, Synagogen angegriffen, und Juden in Deutschland haben Grund zu Furcht und Vorsicht wie seit vielen Jahrzehnten nicht.

Von den 23 Millionen Menschen mit Migrationshintergrund in Deutschland sind etwa ein Drittel muslimischen Glaubens. Ein grosser Teil von ihnen ist nach wie vor der Heimat eng verbunden und zudem glaubenstreu, das ist legitim. Ein grosser Teil fremdelt aber auch mit der Demokratie westlicher Prägung, mit der Gleichberechtigung der Geschlechter und generell mit einem säkularen Staat. Viele begreifen die Auseinandersetzung zwischen Israel und den Palästinensern auch als Teil des Kampfes zwischen der islamischen Welt und den Ungläubigen.

So wird der Kampf um Palästina zu einer Etappe im Heiligen Krieg, dem Dschihad, und die jüngsten Mordaktionen der Hamas scheinen gerechtfertigt, weil sie sowohl der Ausbreitung des Islam als auch der Befreiung des palästinensischen Volks von Fremdherrschaft dienen.

Wie soll die Politik mit solchen Menschen umgehen, die millionenfach in Deutschland leben, aber von ihrem religiös und nationalistisch begründeten Antisemitismus nicht lassen wollen? Wie und mit welchen Mitteln kann man sie hier «umerziehen»? Was können hilflose Lehrer an Brennpunktschulen – und nicht nur dort – denn tun, wenn es ganz einfach cool ist, gleichzeitig jung, muslimisch, für Palästina und gegen «die Juden» zu sein? Wie kann man hier den öffentlichen Diskursraum richtig besetzen?

Es gehört auch zur Wirklichkeit, dass in Deutschland die Zahl der Muslime fünfzigmal grösser ist als die Zahl der Juden. Und ebenso gehört es zur Wirklichkeit, dass die Muslime weitaus jünger sind als der Durchschnitt der Bevölkerung – also auch vitaler und auf den Strassen präsenter. In vielen Vierteln der Grossstädte dominieren sie ganze Schulklassen und spielen in der Alltagskultur der Jugend eine immer grössere Rolle.

 

Israel als Feind

Es tritt erschwerend hinzu, dass im postkolonial geprägten Mainstream linken Denkens die Israeli – und damit auch die Juden generell – eher auf der Seite des «Feindes» angesiedelt sind. Darum geniessen die Palästinenser und ihre Vorfeldorganisationen so viel Sympathie in der überwiegend links geprägten deutschen Kulturszene:

_ Für das «Schlechte» stehen die Schlagworte «Kapitalismus, Kolonialismus, weiss, reich, mächtig, amerikanisch oder amerikafreundlich». Dazu gehört auch Israel mit seiner «weissen» Mehrheitsbevölkerung, seinem das Umfeld weit überragenden Wohlstand und seinem Besatzungsregime im Westjordanland.

_ Für das «Gute» stehen die Schlagworte «antikapitalistisch, Opfer von Kolonialherrschaft, arm, unterdrückt, nichtweiss».

Für den «guten» Linken ist im Zweifel der Israeli eher «Feind» und der Palästinenser eher «Freund».

Die meisten deutschen Politiker und Journalisten mühen sich gegenwärtig redlich ab, jüdischen und israelischen Belangen gerecht zu werden. Aber das Narrativ nationalistischer Palästinenser, konservativer Muslime und linker Ideologen und Idealisten wird nach meiner Einschätzung schnell wieder die Oberhand gewinnen, sobald sich Politiker und Journalisten – ermüdet von der Wiederholung des Immergleichen – erneut anderen Themen zuwenden.

Das demografische Element tritt erschwerend hinzu: In Deutschland leben 84 Millionen Menschen. Davon sind knapp 60 Millionen autochthone Deutsche, 24 Millionen haben Migrationshintergrund, und unter den Deutschen dominieren die Greise: Mehr als 25 Millionen sind 55 Jahre und älter, nur knapp 7 Millionen autochthoner Deutscher sind jünger als fünfzehn Jahre. In dieser Altersgruppe haben schon 42 Prozent der Bevölkerung einen Migrationshintergrund, bei den Menschen von 65 Jahren und älter sind es nur 14 Prozent.

Damit ist es aber nicht genug: Um die Zahl der Arbeitskräfte konstant zu halten, sollen nach den Plänen der Bundesregierung in den nächsten zehn Jahren rund 6 Millionen Menschen zusätzlich nach Deutschland einwandern. Das würde den Anteil Nichtdeutscher bei den jungen Jahrgängen auf über 60 Prozent erhöhen. Da alle Länder in Europa ähnliche demografische Probleme haben, käme diese Zuwanderung nicht aus Ost- und Südeuropa, sondern aus Afrika und aus dem Nahen und Mittleren Osten, weit überwiegend also aus dem islamischen Kulturkreis.

Die kulturellen und weltanschaulichen Probleme, die wir in Deutschland jetzt schon mit Muslimen haben, würden sich damit vervielfachen. Ob eine solche Entwicklung den bei uns lebenden Juden recht sein kann? Aber wohin sollen sie auswandern in einer Welt, in der Israel andauernd bedroht wird und weder auf die Unterstützung der Uno noch der EU rechnen kann? Die Ehrlichkeit gebietet nämlich das Eingeständnis, dass unter den starken Ländern des Westens nur die USA und Deutschland wirklich verlässliche Stützen Israels sind, Letzteres aus sehr nachvollziehbaren historischen Gründen.

 

Gezielte Einwanderungspolitik

All das schreit nach einer gezielten Einwanderungspolitik für Deutschland, die die Begrenzung und Steuerung des Zuzugs in den Mittelpunkt stellt. Der erste Grundsatz dabei sollte sein: Keine weitere Einwanderung aus der islamischen Welt, solange das Problem des Antisemitismus dort schwelt und die innere Loyalität der Einwanderer zum freiheitlichen säkularen Rechtsstaat westlicher Prägung nicht einwandfrei sichergestellt ist. Wenn dies im Ergebnis bedeutet, dass die Zahl der Arbeitskräfte in Deutschland aus demografischen Gründen langfristig erheblich sinkt, so wird eine Politik, die Prioritäten setzt und innere Leistungspotenziale gezielt fördert, auch damit erfolgreich umgehen können.

 

Weitere zehn Jahre des Zögerns?

Im Augenblick kommen die Menschen durch das Scheunentor «Asyl» massenhaft nach Deutschland und Europa. Das wird man möglichst schnell auf europäischer Ebene ändern müssen:

_ Die Genfer Flüchtlingskonvention muss wieder beschränkt werden auf Flüchtlinge aus Europa, das ist jederzeit rechtlich möglich.

_ Die Europäische Menschenrechtskonvention muss so abgeändert werden, dass sie grundsätzlich keine Rechtsgrundlage für die Zuwanderung von Menschen ausserhalb Europas bietet.

_ Die europäischen Seegrenzen müssen wirksam durch die Marine militärisch geschützt werden. Dabei aufgebrachte Boote müssen ausnahmslos wieder an den Herkunftsort verbracht werden.

Wenn man sich auf europäischer Ebene politisch einig wäre, könnte solch ein Konzept grundsätzlich innerhalb weniger Monate umgesetzt werden. Ich habe aber die Befürchtung, dass noch weitere fünf bis zehn Jahre des politischen Zögerns vergehen, ehe man in Europa solch einen Weg einschlägt. Das ist bedauerlich, denen mit jeder ungeplanten Welle unerwünschter Einwanderer, die über Europa hinweggeht, verändert sich der Kontinent demografisch, kulturell und wirtschaftlich weiter in die falsche Richtung.

Wenn ein Bundeskanzler Scholz sich dieser Problematik konsequent annimmt und in Deutschland und Europa entsprechende Mehrheiten organisiert, hat er die Chance, in die Geschichtsbücher als ein grosser Kanzler einzugehen. Andernfalls wird es nur zu einer Fussnote reichen, und auch die volle Amtszeit ist aus gegenwärtiger Sicht in Frage gestellt.