Wie lässt sich Tragik wie ein Drama des Fussballs in Worte fassen? Wir müssen das zunächst übersetzen in Tatsachenpartikel.

Erster Akt: Triumphstimmung im Stadion, die Route der Meister ist bereits abgesteckt. Ein frühes Mainzer Tor, und du denkst dir: Das wird schnell ausgebügelt. Ein zweites Tor für Mainz, das die letzten fünf Spiele verloren hat.

Sie gehen hart zur Sache, denkst du dir, für jemanden, der nichts mehr erreichen kann in dieser Saison, ausser eben die Schwarz-Gelben in den Abgrund zu stürzen und den Bayern eine elfte bedeutungslose Meisterschale in die Hand zu drücken.

Elfmeter gegen die reichlich brutalen Mainzer. Die Lichtgestalt der Schwarz-Gelben in den letzten Spielen, Sebastian Haller, der seinen Krebs überwunden hatte, läuft an und könnte zum Helden werden. Er vergibt die Chance zum Anschluss.

Zur Halbzeit liegen die Dortmunder mit 0:2 hinten.

Zweiter Akt: Es dauert bis zur 69. Minute, in der Guerreiro den Anschluss zum 1:2 erzielt. Noch zwei Tore. Zweifel. Dann ein Freudenstrahl. Köln gleicht aus in der 81. Minute, und Dortmund wäre Meister. Jubelchöre im Stadion. Der Deus ex machina hat eingegriffen. Rettung durch eine höhere Macht? Hat Zeus mit einem überlegenen Richterspruch eingegriffen in diesen Krieg?

Freude bei dir, aber du hast Zweifel, ob das hält. Du hängst ratlos oben mit deinem Ballon aus Hoffnung und Befürchtung. Acht Minuten lang. Schliesslich behält deine Furcht recht, denn Musiala, dieses junge Ballwunder im Bayern-Trikot, schiesst seine Mannschaft in der 89. Minute zur Führung. Dein Ballon zerplatzt. Der Krieg ist verloren, das weisst du.

3. Akt: Was nützt da noch Süles Ausgleich zum 2:2 im Dortmunder Iduna-Park? Kopflos rennen die Dortmunder an, versuchen ihr Glück mit hohen Bälle in den Strafraum, die der Mainzer Keeper sämtlich wegfischt, und du spürst den Verlust in dir hochsteigen, du spürst die Niederlage auf der Zunge, sie legt sich um deine Kehle und drückt und drückt, erst leicht, dann stärker, und mit dem Schlusspfiff drückt sie ganz zu.

Exitus.

Du siehst die schwarz-gelben Spieler auf dem Feld zusammensinken, und du sitzt mit ihnen da unten, und das Stadion ist still wie bei einer Trauerfeier.

Diese Sache ist persönlich, da hilft auch nicht, dass du erfährst, dass Oliver Kahn, der Bayern-Vorstand, der dich mit seinen Angeber-Ansagen, ja regelrechten (und belächelten) Spottgesängen vor diesem letzten Spieltag in Rage getrieben hat, dass also dieser Oliver Kahn von seinem Posten gefeuert wurde und mit ihm sein Papagei Salihamidzic.

Katharsis auf wackligen Beinen: Du siehst sie auf dem Schlachtfeld sitzen, die Heroen, ein ratloser Hummels, weinend Julian Brandt, der junge Moukoko ebenfalls, Trainer Terzic dazwischen totenbleich als Tröster. Du fühlst dich leer, dein Kopf dröhnt, das Leben ist sinnlos, und als dann die Werbung für Klamotten, Fressen, Wetten und ehrenvolle Anliegen wie die Behinderten-Wettspiele folgt, möchtest du platzen vor Wut.

Und dann schaust du aus deinem Tunnel nach draussen, siehst über das grüne Feld und dahinter das in der Sonne glitzernde Meer, und du weisst, dass da Leben weitergeht.

Und dass dich jede Niederlage weiterbringt.

Keine Ahnung, wer das gesagt hat, müsste ich jetzt googeln; ich will glauben, dass er recht hat …