Herbert Kickl schickt sich an, zum ersten freiheitlichen Bundeskanzler der Zweiten Republik gewählt zu werden. Jörg Haider scheiterte an Wolfgang Schüssel. Und Heinz-Christian Strache an Sebastian Kurz. Später scheiterten die beiden an sich selber.
Kickl könnte der Gipfelsieg tatsächlich gelingen. Denn einerseits ist Nehammer kein Schüssel oder Kurz. Und andererseits ist Kickl viel zu diszipliniert, um über sich selbst zu stolpern. In einer Branche, wo man leicht Gefahr läuft, sich zu verfressen oder zu versaufen, wie ORF-Generalintendant Gerd Bacher sagte, sticht der Asket Kickl als Bergsteiger, Marathonläufer und Ironman-Teilnehmer als Unikat hervor.
Ein weiteres Alleinstellungsmerkmal des gebürtigen Kärntners sind seine rhetorischen Fähigkeiten. Die alte Garde echter Parlamentarier – schliesslich kommt der Ausdruck von parler – ist mit Haider, Stadler, Cap, Pilz und Schüssel entweder tot oder im Ruhestand.
Diese Fertigkeiten nützt Kickl nicht selten zur Provokation. Entweder als Mastermind oder als Scharfmacher. Und seit 2021 als Parteichef und Kanzlerkandidat.
Angefangen bei «Daham statt Islam» oder «Pummerin statt Muezzin» über die Corona-Diktatur bis zur Inländer-Diskriminierung stellt sich Kickl konsequent gegen den Mainstream. Mittlerweile hat ihm dies in deutschen Medien den Beinamen «Alpen-Trump» eingetragen.
Auch Lothar Höbelt, Historiker und Experte für das Dritte Lager in Österreich – so die geschichtliche Bezeichnung für die Freiheitlichen – bestätigt, dass Kickl in erster Linie Populist ist. Und kein klassischer Rechter.
Haider und Strache waren bei schlagenden Verbindungen. Kickl sorgte noch konsequenter für einen stringenten Kurs des Österreich-Patriotismus. Das Nato-Ziel wurde aus dem Parteiprogramm gestrichen und die Neutralität als Thema wiederbelebt. «Sky Shield» und Russland-Sanktionen sind legitime Zielscheiben im Wahlkampf.
Brüssel ist schon seit Jörg Haider im Visier der Freiheitlichen. Mit Corona ist die WHO als übernationales Feindbild hinzugetreten.
In Viktor Orbán hat man einen natürlichen Verbündeten und ein role model gefunden: Probleme sind in erster Linie nationalstaatlich zu lösen. Erst dann auf internationaler Ebene.
Die Festung Österreich nicht nur als Sinnbild für wirksamen Grenzschutz, sondern auch als Programm zur Rückholung souveräner Rechte.
Wie Haider hat Kickl ein untrügliches Gespür für Stimmungen. Patriotismus versus Globalismus. Bodenständigkeit versus «One World Vision».
Nicht nur Österreichs, sondern auch Deutschlands und der Schweiz.
Der bekennende Rechtsextremist Kickl scheint nichts aus der Geschichte Österreichs gelernt zu haben. Fordert er auch bald den Anschluss?
Stimmt