Immer häufiger hört man in der letzten Zeit, gewisse Äusserungen seien «menschenverachtend». Was ist damit gemeint?

Offenbar ist Menschenverachtung der Gegenbegriff zu Menschenwürde. Beide Begriffe sind in extremer Weise unbestimmt – und gerade deshalb eignen sie sich dazu, zu tabuisieren und zu polemisieren. Niemand kann diese Begriffe näher bestimmen, und deshalb können sie unkontrolliert und autoritär verwendet werden.

Der erste Satz des deutschen Grundgesetzes besagt ja, dass die Menschenwürde unantastbar sei – wohlgemerkt: «ist» unantastbar, und nicht: soll sein. Es handelt sich also um die reine Form eines Tabus, das auch nötig ist, um ein Rechtssystem ohne Gott zu stabilisieren. Wenn nun aber jemand etwas Menschenverachtendes sagt oder tut, tastet er die Menschenwürde an und begeht einen Tabubruch. Er kann deshalb nur ein Unmensch, ein Gesetzloser, ein outlaw sein. Und hier wird deutlich, dass das Urteil «menschenverachtend» das ultimative moralische Unwerturteil ist.

Wir haben uns ja daran gewöhnt, dass der linke Mob jeden mit vom rot-grünen Mainstream abweichender Meinung als «Nazi» aburteilt. Linke Edelfedern dagegen sprechen dann eben von «menschenverachtend». Aber der Sinn ist derselbe: Abweichende Meinungen sollen nicht nur zum Schweigen gebracht, sondern als unmenschlich gebrandmarkt werden.

Das passt zur extremen Moralisierung der Politik, die für die letzten Jahre charakteristisch ist. Und «menschenverachtend» ist der jüngste rhetorische Beitrag zu dieser Tyrannei der Gutmenschenwerte.