Der angekündigte Rücktritt des Landrats Dirk Neubauer in Mittelsachsen gerät zur Staatsaffäre.

In allen grossen Medien gilt der Fall des parteilosen und von linken Parteien unterstützten Politikers als Fanal, in den Überschriften heisst es, der Landrat weiche vor der rechtsextremen Bedrohung, und sein Rückzug zeige, wie schlimm die Lage vor allem im Osten sei.

Bundeskanzler Olaf Scholz und Parlamentsvize Katrin Göring-Eckardt meldeten sich mahnend zu Wort. Zu dieser kampagnenartigen Deutung passt allerdings das ausführliche Statement Neubauers ziemlich schlecht: Der Landrat begründet seinen vorzeitigen Ausstieg aus dem Amt vor allem damit, dass ihm für seine Energiewende-Pläne und andere Vorstellungen die Mehrheiten sowohl im Kreistag als in der Bevölkerung fehlten. Der Landkreis sei nun einmal «sehr konservativ».

Bedrohungen erwähnte der frühere Journalist nur beiläufig. Sie beschränken sich nach seinen Worten auf anonyme Drohschreiben. Die können in der Tat belastend wirken. Allerdings erhalten sehr viele Politiker quer durchs Parteienspektrum bösartige Zuschriften.

Im vergangenen Jahr standen Politiker einer Partei ganz oben in der Liste der körperlichen Angriffe: die der AfD. Und wenn es allgemein «gegen rechts» ging, etwa bei den Übergriffen auf die Kinder des Thüringer Kurzzeit-Ministerpräsidenten Thomas Kemmerich, fiel die mediale Empörung ziemlich lau aus.

Der von der Bundespolitik aufgenommene Fall Neubauer taugt nicht für alarmistische Warnungen vor Weimarer Verhältnissen. Auf seinen Rücktritt folgt eine Neuwahl.

Alles in allem also: demokratischer Normalzustand.