Wer A sagt, muss auch B sagen, lautet ein altes Sprichwort. Aber wie der Mensch so ist: Wir sagen gerne A. Doch vor den Folgen unserer Meinungen schrecken wir dann doch zurück.

Besonders schmerzhaft ist dieser Mangel an Konsequenz in der Politik. Hier grenzt sie nicht selten an Zynismus. Man nennt das dann Realpolitik.

Doch manchmal, und das sind dann die besonders hässlichen Momente der Politik, lässt eine nebenbei gemachte Bemerkung tief blicken. In einem unachtsamen Augenblick zeigt sich dann, dass hinter den wohlfeilen Phrasen kaltes Kalkül steckt. Und für eine Sekunde öffnet sich ein Abgrund an Verlogenheit und Kaltschnäuzigkeit.

So geschah es heute Ursula von der Leyen. Die Ukrainer würden mit ihrem Blut auch die Zukunft unserer Kinder sichern, betonte die EU-Kommissionpräsidentin anlässlich der Verleihung des Karlspreises an Wolodymyr Selenskyj.

Abgesehen davon, ob diese These stimmt: herzloser und abgebrühter geht es kaum noch.

Doch im gewissen Sinne hat Frau von der Leyen natürlich recht. Würden die Falken in den Nato-Staaten ihr Gerede von der Verteidigung der westlichen Werte in der Ukraine wirklich ernst nehmen – dann, ja dann wäre es geradezu unsere Pflicht, die Ukraine mit mehr zu unterstützen als mit ein paar Panzern und Haubitzen. Dann müsste die Nato tatsächlich militärisch eingreifen.

Und so kondensiert in Frau von der Leyens hässlicher Bemerkung die gesamte Doppelzüngigkeit der westlichen Ukraine-Politik.

Aus gutem Grund ist man nicht bereit, der eigenen hochfahrenden Rhetorik entsprechende Taten folgen zulassen. Denn das würde in die Katastrophe führen. Stattdessen lässt man die Ukraine verbluten.