Nein, einen Austritt aus der EU, wie viele Medien kolportieren, hat Alice Weidel nicht gefordert. In dem fraglichen Interview mit dem Handelsblatt, das so viel Aufregung erzeugt, prangert sie lediglich die Demokratie-Defizite der EU an und kokettiert mit einem Referendum über einen EU-Austritt Deutschlands.

Weshalb sie mit dem Gedanken des «Dexit» spielt, ist allerdings das Geheimnis von Frau Weidel. Wahrscheinlich will sie nach den Massendemonstrationen vom Wochenende in die Gegenoffensive kommen und besinnt sich daher auf die DNA der Partei – und die ist bekanntlich EU-kritisch.

Doch ob das ein kluger Schachzug ist, darf bezweifelt werden. Natürlich hadern auch viele Deutsche mit der EU, mit Frau von der Leyen, mit Quoten, Überregulierung und «Entscheidungen aus Brüssel». Doch all das lässt in Deutschland keine Anti-EU-Stimmung aufkommen.

Das liegt zunächst daran, dass die Deutschen als Exportnation genau wissen, dass sie ihren Wohlstand auch der EU verdanken. Viele schauen mit Sentimentalität auf die alte D-Mark, doch im Grunde weiss jeder, dass ein Austritt aus dem Euro wirtschaftliches Harakiri wäre. Gleiches gilt für den Binnenmarkt und dessen zahllose Handelsbestimmungen. Die sind nicht schön, aber der Netto-Profiteur heisst Deutschland.

Vor allem aber ist zumindest in Westdeutschland die emotionale Bindung an Europa viel zu gross. Ganze Generationen haben Erasmus-Programme durchlaufen, haben einen Schüleraustausch mitgemacht oder waren als Studenten oder Au-pair in Frankreich oder Italien. Und insbesondere die deutsch-französische Freundschaft ist den Deutschen wichtig. Mit Sorge und nicht mit heimlicher Bewunderung schaut man auf Frexit-Szenarien. Zumindest in Westdeutschland schlägt in vielen ein karolingisches Herz. Für eine Reform der EU, für mehr Subsidiarität und weniger Zentralismus, dafür sind viele Deutsche zu gewinnen, für einen EU-Austritt nicht.

Der «Dexit» wäre das Heizungsgesetz der AfD. Eine Dummheit aus ideologischen Gründen – nur mit noch viel gravierenderen Folgen. Wer meint, er hätte damit politischen Erfolg, möge das glauben.