Am Montag hat die Aussenpolitische Kommission des Nationalrats (APK) auf einen Antrag von SP-Nationalrat Eric Nussbaumer mit fünfzehn zu zehn Stimmen entschieden, dem Bundesrat einen Brief zu schicken. Inhalt: Die Mehrheit der APK sei der Meinung, dass bei den EU-Verträgen die verfassungsrechtlichen Voraussetzungen für ein obligatorisches Referendum nicht erfüllt seien.

Das heisst: Die EU-Kolonne in der APK will auf keinen Fall, dass die wichtigste Abstimmung seit dem Nein zum EWR vor über dreissig Jahren neben dem Volksmehr auch die Hürde des Ständemehrs nehmen muss. Damit setzen sich die APK-Vertreter von SP, Grünen, GLP, FDP und Mitte über Volk, Parlament und Bundesrat hinweg. Was sich am Montag in Bundesbern ereignet hat, ist ein staatspolitischer Skandal. Die EU-Turbos, eine Minderheit im Land, proben den Staatsstreich.

Der Entscheid ist aus mehrfacher Hinsicht hochgradig problematisch. Die Frage, ob das Vertragswerk mit der EU die Voraussetzungen für ein obligatorisches Referendum erfüllt, ist seit je umstritten. Nussbaumer und die Brüssel-Bande um Simon Michel (FDP), Elisabeth Schneider-Schneiter (Mitte) oder Sibel Arslan (Grüne) wissen plötzlich ganz genau, dass die EU-Verträge keinen Verfassungscharakter aufweisen werden, obwohl der Vertragstext ja noch gar nicht bekannt ist.

Erst wenn die Texte vorliegen, kann man ernsthaft darüber diskutieren, ob die Verträge bis weit in die politischen Rechte, etwa die Funktionsweise der direkten Demokratie, eingreifen. Zweifel sind mehr als angebracht. Zum Vergleich: Beim Beitritt zum Völkerbund (1920), beim Freihandelsabkommen mit der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (1972) sowie beim Beitritt zum Europäischen Wirtschaftsraum (1992) hat die Bundesversammlung die Abstimmung jeweils Volk und Ständen unterstellt, obwohl dies gemäss der damaligen Bundesverfassung eigentlich nicht vorgesehen war.  Vor allem aber bleibt die Frage, ob die EU-Verträge dem obligatorischen oder dem fakultativen Referendum unterstellt werden, eine politische, nicht eine juristische.

Das Vorgehen der APK lässt tief blicken. Sie hat am Montag kurzerhand den Direktor des Bundesamts für Justiz (BJ) aufgeboten, um Nussbaumers Antrag zusätzliches Gewicht zu verleihen. Ein Gutachten des BJ hält grundsätzlich fest, dass Volksverträge dem obligatorischen Referendum unterstellt werden, wenn die Schweiz einer Organisation für kollektive Sicherheit, etwa der Nato, beitreten würde oder zu supranationalen Gemeinschaften wie der EU.

Das Gutachten wurde aber bereits im Mai 2024 erstellt, also noch bevor die Verhandlungen überhaupt abgeschlossen waren. Das Gutachten hält denn auch fest, dass eine definitive Beurteilung erst möglich ist, wenn «ein paraphiertes Verhandlungsergebnis» vorliege. Das alles verschweigt die APK in ihrer offiziellen Kommunikation vom Dienstag.

Bemerkenswert ist die Dreistigkeit, mit der Nussbaumer, Michel und Co. das Thema nun an sich reissen. Die Frage des Ständemehrs ist ein klarer Fall für die Staatspolitische Kommission (SPK), wie deren Präsidentin Greta Gysin (Grüne) auf Anfrage auch bestätigt. Sie persönlich teile zwar das Anliegen der APK. Die SPK sei jedoch zuständig, dazu eine Vormeinung abzugeben. Dafür sei es aber noch viel zu früh. Auch was die APK des Ständerats sagt, ist unklar. Nussbaumers Vorgehen war mit der Schwesterkommission der kleinen Kammer nicht abgesprochen.

In diesen dunklen Stunden des Parlamentsbetriebs bleiben Lichtblicke. Neben den Vertretern der SVP soll sich auch Mitte-Präsident Gerhard Pfister gegen Nussbaumers Antrag gestellt haben. Es wird immer klarer, warum die EU-freundlichen Mitte-Frauen zuletzt gegen ihren Präsidenten intrigiert haben. Pfister zeigte sich in den letzten Jahren auf alle Seiten beweglich, bei der EU-Frage aber blieb er immer bei sich, bei der Schweiz, bei den Kantonen. Dass Nussbaumer die Institutionen längst aufgegeben hat, zeigte sich bei seiner Abschiedsrede als Nationalratspräsident im Dezember. Schon damals missbrauchte er das Amt des höchsten Schweizers dazu, gegen das Ständemehr und somit gegen die Kantone Stimmung zu machen.