Eben meldete die Welt: 35.000 Deutsche wandern jährlich in die Schweiz aus. Es sind in aller Regel gut- bis hochqualifzierte Menschen, die Deutschland so abhandenkommen. Nach Angaben der Zeitung schätzen sie an der Schweiz die guten Löhne, die stabile Politik, die starke Landeswährung und die geringe Inflation. Allerdings seien einige der Auswanderer auch bald einmal überfordert von einem gegenüber Deutschland etwas weniger hängemattigen Wettbewerbsumfeld. Lange Arbeitstage ohne Kündigungsschutz, dazu auch hohe Preise. Das wirke abschreckend.

Was kann Deutschland tun, um den Massenexodus der Guten in die Schweiz zu stoppen? Die Lösung liegt auf der Hand: Deutschland müsste verschweizern. Das klingt vielleicht etwas wohlfeil aus schweizerischer Sicht, aber die Idee hat was. Die politischen Staatssäulen der Schweiz – direkte Demokratie, Antizentralismus/Föderalismus und Neutralität – sind ein Hauptgrund auch für den wirtschaftlichen Erfolg des Landes. Wer neutral ist, startet keine Kriege und hat keine Feinde. Direkte Demokratie und Föderalismus sorgen für bessere Staatsfinanzen und eine bessere Politik, die eben nicht nur vor Wahlen auf die Interessen der Bürger Rücksicht nehmen muss.

Direkte Demokratie in Deutschland? Warum nicht? Schon die alten Germanen wählten ihre Könige selber. Das Heilige Römische Reich Deutscher Nation war die demokratischste Monarchie des Mittelalters und der frühen Neuzeit. Und es wäre vermessen zu behaupten, nur die Schweizer seien in der Lage, eine direkte Demokratie zu leben. Gerade heute empfinden viele Deutsche, so weit der Eindruck des Autors, dass sie in Berlin von Flaschen regiert werden. Die Politikverdrossenheit ist gross, und das Gefühl verbreitet sich, «die da oben» bestimmten über die Köpfe der Bürger hinweg. Direkte Demokratie heisst, dass die Deutschen die Demokratie dorthin bringen, wo sie hingehört: zum Volk, zu den Bürgern.

Neutralität? Auch das wäre doch nichts als logisch. Deutschland war eine militärische Grossmacht. Nach der Katastrophe zweier Weltkriege mussten sich die Deutschen neu erfinden. Auch die Schweizer entdeckten die Neutralität nach einer grossen militärischen Niederlage, 1515 bei Marignano. Die Deutschen sind heute, wären heute eine Grossmacht des Friedens, der Verständigung. Gerade weil sie zu den zahllosen Verlierernationen gehören, haben sie eine grössere Glaubwürdigkeit etwa bei Ländern in der Dritten Welt, die, siehe Brics, die Nase voll davon haben, dass ihnen die Amerikaner befehlen, wie sie ihr «Selbstbestimmungsrecht der Völker» nach amerikanischer Bestimmung in Anspruch zu nehmen haben.

Man könnte noch viel mehr darüber schreiben. Deutschland wäre – wie Österreich – prädestiniert zur Neutralität. Es wäre der bessere Weg, als unter grüner Pickelhaube die Welt wieder militärisch zwangsbeglücken zu wollen – wie derzeit in der Ukraine. Ein neutrales Deutschland, Grossmacht des Friedens, nach Schweizer Art mit direkter Demokratie – wenn die Deutschen kein Flair dafür hätten, warum wandern sie dann in jährlich in Regimentsstärke in die Schweiz aus? Für deutsche Politiker ist die Schweiz oft ein Ärgernis, manche wollten den Schweizern schon mit der Kavallerie zu Leibe rücken. Wen wundert’s? Ein erfolgreiches Land, in dem die Bürger mehr zu sagen haben als die Politiker, kann nicht nach dem Geschmack machtgewohnter Politiker sein. Ein weiteres Argument dafür, warum die Deutschen – gegen den Willen ihrer Politiker – ihr Land verschweizern sollten.

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