Es gibt Tage, da liegt eine seltsame Düsternis über Deutschland, die nichts mit der dunklen Jahreszeit zu tun hat. Es sind Tage, an denen zum Beispiel Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) solche Sätze sagt: «Wir wollen bei Rechtsextremisten jeden Stein umdrehen. Diejenigen, die den Staat verhöhnen, müssen es mit einem starken Staat zu tun bekommen.»

Als vor Jahr und Tag der damalige AfD-Chef Alexander Gauland nach einem Wahlerfolg davon sprach, dass man die konkurrierenden Parteien «jagen» werde, galt das als üble Entgleisung, Hass, Hetze und Kriegsrhetorik. Wenn nun die Innen- und Verfassungsministerin mit diffusen Metaphern ähnliche Jagdassoziationen beschwört, ist das selbstverständlich in Ordnung. Es trifft ja vermeintlich die Richtigen. Allerdings nur, wenn man sich nicht klarmacht, dass es völlig legal und erlaubt ist, den Staat zu «verhöhnen». Kabarettisten machen das hauptberuflich, und auch sonst ist für den freiheitlichen Rechtsstaat zu lange gestritten worden, um ihn jetzt in den Stand der Majestätsbeleidigung zurückzuversetzen,

Noch düsterer wird es, wenn die Bundesfamilienministerin erklärt: «Wir wollen dem Umstand Rechnung tragen, dass Hass im Netz auch unter der Strafbarkeitsgrenze vorkommt. Viele Feinde der Demokratie wissen ganz genau, was auf den Social-Media-Plattformen gerade noch so unter Meinungsfreiheit fällt.» Dass im Deutschland des 21. Jahrhunderts nicht strafbare Äußerungen staatlicherseits – und mit deutscher Gründlichkeit – im Auge behalten werden sollen, macht die Szenerie noch gespenstischer.

Und wenn schliesslich der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Thomas Haldenwang (CDU), neben der Ministerin sitzt und in bester Stasi- (und anderer …) Manier Gedanken-Frevler ins Visier nimmt, ohne dass irgendjemand aufschreit, ist offenbar der deutsche Beamte in seiner willfährigsten Form zurückgekehrt: «Wir dürfen nicht den Fehler machen, im Rechtsextremismus nur auf Gewaltbereitschaft zu achten», so Haldenwang, es gehe zunehmend auch um «verbale und mentale Grenzverschiebung». Die Gedanken sind frei, ausser es sind die falschen.

Es gibt so Tage in Deutschland …

Ralf Schuler ist Politikchef des Nachrichtenportals NIUS und betreibt den Interview-Kanal «Schuler! Fragen, was ist». Sein Buch «Generation Gleichschritt. Wie das Mitlaufen zum Volkssport wurde» ist bei Fontis (Basel) erschienen. Sein neues Buch «Der Siegeszug der Populisten. Warum die etablierten Parteien die Bürger verloren haben. Analyse eines Demokratieversagens» erscheint im Herbst und kann schon jetzt vorbestellt werden.