Olaf Scholz gilt nicht unbedingt als Heisssporn. Übertrieben emotionale Regungen sind ihm eher fremd. Der Osnabrücker hat seine Gefühle gut im Griff. Und das ist – neutral betrachtet – kein Nachteil. Emotionalität gibt es in den aktuellen Debatten genug.

Umso bemerkenswerter war der Auftritt des Bundeskanzlers in der gestrigen Generaldebatte des Bundestages. Friedrich Merz warf er «Hasenfüssigkeit» vor. «So viel Feigheit vor der eigenen Courage» habe er noch nicht gesehen. «Wer gerne boxt, sollte kein Glaskinn haben», so Scholz Richtung Oppositionsführer.

Klar: Solche Verbalausfälle gehören zur Folklore von Generaldebatten. Sie steigern den Unterhaltungswert. Dennoch fällt auf, dass ein zunehmend aggressiver und emotionaler Ton seitens der Regierung angeschlagen wird – nicht nur in der Generaldebatte. Die Klänge werden schriller. Die Sprache schärfer.

Noch bei seiner Regierungserklärung im November gab Scholz den grossen Stoiker und versuchte, Gelassenheit auszustrahlen. Doch die Zeit der Gleichmut ist offensichtlich vorbei. Wird man etwa nervös im Kanzleramt? Die Umfrage-Ergebnisse für die Koalition und den Kanzler sind katastrophal. Gründe für etwas Unruhe gäbe es mehr als genug.

Doch wer so denkt, unterschätzt das Selbstbewusstsein des Olaf Scholz. Der glaubt mit Sicherheit immer noch an seine Wiederwahl. Doch Scholz ist nicht nur selbstbewusst, sondern auch der geborene Opportunist. Solange es schlecht lief für die Regierung, trat Scholz bescheiden und staatsmännisch auf.

Aber dann kamen die Demonstrationen gegen die AfD und die Gründung der Parteien um Wagenknecht und Maassen, von denen sich Scholz eine Spaltung der Opposition erhofft. Der Kanzler wittert Morgenluft und will das Momentum nutzen. Nicht auszuschliessen allerdings, dass er sich hier gründlich verschätzt.