Benedikt Weibel, der langjährige Präsident der Generaldirektion der SBB, hat die vom Bund den SBB in Aussicht gestellten achtzehn Milliarden Franken als Wahnsinn bezeichnet. Das Geld der Steuerzahler werde zum Fenster hinausgeworfen. Weibel fordert in einem gemeinsam mit weiteren Bahnexperten verfassten Dokument ein Moratorium für weitere Projekte zum Ausbau des Schienennetzes, weil die Kosten für die Schieneninfrastruktur unkontrollierbar geworden seien. Laut Benedikt Weibel erfolgen die Investitionen ohne ein langfristiges Betriebskonzept. In seinen Augen ist die Schiene zum Fass ohne Boden geworden.

Weibel muss gewusst haben, worauf er sich mit Kritik am Heiligtum der Schweizer Eisenbahnen eingelassen hat. So bezeichnete Olivier Français, FDP-Ständerat aus Lausanne, dieses Plädoyer von Benedikt Weibel postwendend als eine unglaubliche Dummheit. Weibel sei selber für Unterlassungen während seiner Präsidialjahre von 1993 bis 2006 verantwortlich. Tatsächlich haben es die SBB heute geschafft, dank dem grünen Zeitgeist fortwährend an unbeschränkte Finanzmittel zu gelangen.

Wenn der charmante SBB-Chef Vincent Ducrot sorgenvoll mit der Stirne runzelt und ohne zusätzliche finanzielle Unterstützung der Steuerzahler den Zerfall des Schienennetzes mit deutschen Verhältnisse heraufbeschwört, so erhält er prompt die gewünschten Millionen und Milliarden. Das bedeutet ein unfaires Spiel mit der grossen Identifikation der Schweizer Bevölkerung mit ihrer zumeist gut funktionierenden Eisenbahn.

Dabei geht vergessen, dass Ducrot für eine der grössten Fehlinvestitionen in der europäischen Eisenbahngeschichte verantwortlich ist. Unter seiner Führung wurde die zwei Milliarden Franken teure Beschaffung des Fernverkehrs-Doppelstockzuges (FV-Dosto) aufgegleist. Den Kaufvertrag bei der ehemaligen Bombardier (heute Alstom) hatte Ducrot unterzeichnet – für eine völlig unerprobte Technik mit der sogenannten Wankkompensation zur Stabilisierung der Wagen-kästen auch bei erhöhter Kurvengeschwindigkeit. Schon bald erhielten die FV-Dosto bei den Fahrgästen die Bezeichnung «Schüttelzüge». Inzwischen mussten die SBB den Misserfolg eingestehen und verzichten auf die neue Technik. Doch der für neue Fahrzeuge inakzeptable unruhige Wagenlauf der «Zukunftszüge» ist trotzdem geblieben.

Weniger im Fokus der Bevölkerung steht eine andere fragwürdige Vorgehensweise der SBB. Nach den teuren Ausbauten von Strecken werden die Fahrzeiten häufig nicht kürzer, sondern verlängert. Ein Beispiel ist die Linie von Genf nach Lausanne. So betrug im Jahr 1979 die Fahrzeit der Städteschnellzüge noch 33 Minuten. Nach der umfassenden Modernisierung in den letzten Jahren mit Erhöhung der Streckengeschwindigkeit und zusätzlichen Überholungsgeleisen beträgt sie heute 35 Minuten.

Eigentlich dürften nach Millioneninvestitionen spürbare Kürzungen der Fahrzeiten erwartet werden. Tatsächlich bedeuten solche Fahrzeitverlängerungen die simpelste Methode für eine gute Pünktlichkeit. Nur fragt man sich nach dem Resultat der Investitionen in die Modernisierungen.

Der öffentliche Verkehr in der Schweiz steht insgesamt auf einem hohen Niveau und soll das auch bleiben. Aber mit dem unbegrenzten Füllhorn ohne Verpflichtungen und kritische Fragen sollte es ein Ende haben. In Zukunft muss genauer darüber nachgedacht werden, welche Projekte wirklich notwendig sind und auf welche verzichtet werden kann.