Iwan lag im Strassengraben. Im Sterben. Sein linkes Bein war bis zum Knie weg. Der Pressverband um den Oberschenkel liess noch immer Blut aus dem Stumpf durch. Sie hatten ihm eine Droge gespritzt. Etwas wie ein Schleier verdeckte die Angst in seinem Blick. Oder war es der Schmerz? Oder einfach die Suche nach der Antwort auf die eine Frage, die keiner nennt. Was mit einem passiert. Wenn man gehen muss.

Iwan. Ein russischer Soldat in der Ukraine.

Iwan lag auf der anderen Strassenseite. Total zerschmetterte Hüfte. Die gebrochenen Augen offen. Noch feuchter, blutiger Schaum vor dem Mund. In einer Lache von schwarzem Blut. Iwan. Ein ukrainischer Soldat. In den Augen dieser Blick zwischen Panik und Tod.

Zwei Soldaten. Nur zwei Soldaten. Im Krieg, in dem die Schweiz nicht weiss, ob sie neutral bleiben soll.

Im Krieg, den die USA mit Milliarden alimentieren. Im Krieg, den die Europäer mit noch mehr Milliarden alimentieren. Im Krieg, den die Russen ihren ukrainischen Brüdern brachten, weil die geglaubt hatten, es auf der anderen Seite besser zu haben.

Im Krieg, von dem der amerikanische Politikwissenschafter John J. Mearsheimer, ein gnadenloser Realist, sagt, dass sein Ende nur das totale ukrainische Blutbad sein kann.

Und wir? Wir wissen nicht, ob wir neutral bleiben sollen. Oder ob es nur feige ist, dass wir nicht auch noch Waffen in die Ukraine liefern, damit noch mehr Iwans aus Russland und der Ukraine dort am Strassenrand verrecken. Mit nicht zu beantwortenden Fragen in den Augen.

Verrückt. Wahnsinn. Für einmal sind die beiden Worte Untertreibung.

Wir wissen es alle. Die Lüge vom Gegenteil ist reine Propaganda Amerikas, Europas und des zynischen Mainstreams für das Gegenteil, was der linke Wissenschafter John J. Mearsheimer in seiner Analyse behauptet. Mearsheimer, der bei den letzten Präsidentschaftswahlen in Amerika Trump durch den Sozialisten Bernie Sanders ersetzen wollte.

Propaganda wofür? Für ein Weltbild von gestern. Für ein Weltbild, in dem die Nato für die Mauer gegen den Kommunismus stand.

Und wir? Wir getrauen uns nicht, unseren amerikanischen Freunden zu sagen: Erwacht endlich, der Kommunismus schaut nicht mehr nach der Weltherrschaft. Was unser Leben, unsere Zukunft gefährdet, ist nicht mehr die Sowjetunion, es sind die Veränderungen, die wir uns selbst eingeschenkt haben. Es ist die Verschuldung Amerikas. Es ist die totale Überbevölkerung im Armenhaus dieser Welt, die zu Völkerwanderungen geführt hat, die keine soziale Marktwirtschaft, keine moralische Naivität überleben können. Es ist ein Klimawandel, auch von dieser Überbevölkerung alimentiert, es ist die moralische Degeneration einer idiotischen, aber arroganten Elite, die glaubt, das lernbare Wissen könne das Wesen der Menschheit verändern, und darum meint, den grossen Rest dieser Menschheit ständig erziehen zu müssen, statt ihm in ein besseres Leben zu helfen.

Und in dieser neuen Welt, in der sich die Macht verschiebt, ist die absolute Neutralität der Schweiz gefragter denn je. Doch unsere Politiker, selbst Mitarchitekten der Probleme dieser neuen Welt, schwächen unsere Neutralität, indem sie sie noch anzweifeln.

Zeit, dass unser Bundesrat, unser Parlament erwacht. Die Neutralität der Schweiz feiert. Eine Idee, ein Departement gründet, das mit den Waffen der neutralen Schweiz für den Frieden auf dieser Welt arbeitet. Mit Milliarden, von mir aus, aber nicht mit Waffen dafür sorgt, dass die Putins, Bidens und wie sie alle heissen sich immer in der Schweiz treffen können – für den Frieden.

Naiv? Vielleicht. Wahrscheinlich sogar. Aber wenn diese Naivität dabei helfen kann, dass die Iwans aus Russland und der Ukraine nicht mehr am Strassenrand verrecken, dann lasse ich mich gerne naiv schimpfen.