«We Are the World» – im Jahre 1985 sangen drei Dutzend Künstler den von Michael Jackson und Lionel Richie komponierten Hit. Er wurde zur meistverkauften Single des Jahres.

«We Are Europe», meint wohl die deutsche Kriegstreiberin Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP), die man nicht mehr Kriegstreiberin nennen darf, wenn sie die Friedensmission von Ungarns Präsidenten Viktor Orbán kommentiert: «Er vertritt nicht Europa. Hinter ihm steht keiner.»

«Keiner», das ist gemäss Umfragen die Mehrheit der Bevölkerung in Europa, der Ukraine und auch in den USA. Die Menschen wollen ein Ende des Krieges, reden statt töten. Sie wollen Gespräche, die eines Tages zu Friedensverhandlungen führen.

Für Europas Politiker-Elite besteht die EU jedoch nicht aus 448 Millionen Menschen, sondern aus EU-Abgeordneten, dem neuen Politadel. Kaum gewählt, haben sie für das Fussvolk nur noch Verachtung übrig und wechseln in den Selfie-Modus, vertreten nur noch, was ihrer Karriere zugutekommt, und koppeln sich von den Menschen ab, die ihre fürstlichen Löhne und Privilegien bezahlen.

Den Krieg in der Ukraine verfolgen die Strack-Zimmermanns abends vor dem Fernseher wie eine neue Version des Game-Klassikers «Civilization». Auf schön gestalteten Landkarten markieren farbige Pixel Truppenverschiebungen.

Mittlerweile sind auf russischer und ukrainischer Seite fast eine Million Menschen gestorben oder verletzt worden. Wer schon einmal ein Familienmitglied verloren hat, weiss, welches Leid über Eltern, Ehefrauen und Kinder hereinbricht. Fehlt es Strack-Zimmermann, die im Februar am Rande der Münchener Sicherheitskonferenz im spassigen Taurus-T-Shirt posierte, etwa an Empathie?

Friedenstauben weht ein rauer Wind entgegen. Sie werden wie Moorhühner abgeschossen. In den 1970er-Jahren galten Pazifisten als linke Moralisten, wenn sie für «Give Peace A Chance» und «Make Love Not War» demonstrierten. Doch heute lehrt uns der Mainstream, dass auch die Moral dem Zeitgeist unterliegt.

Friedensengel gelten nun als Rechte, als Rechtsextreme oder gar als Dreiviertel-Nazis, und wenn Orbán das tut, was eigentlich die Schweiz hätte tun können (als sie noch neutral war), wird versucht, der ungarischen Friedenstaube die Flügel zu stutzen. Weil sie Orbán heisst. Egal, was er tut oder sagt, es ist des Teufels, weil Orbán immer Orbán ist. Selbst wenn er etwas Gescheites tut. Obama erhielt 2009 für weniger den Friedensnobelpreis.

Die Welt ist nicht schwarz-weiss. Auch wenn Fair Play in der Politik ein Fremdwort ist, muss man Orbán zugutehalten, dass er es wenigstens versucht. Vielleicht sollten seine Kritiker, insbesondere jene, die beim Nato-Gipfel in Washington für die Fotografen posieren, selber an die Front. Gemeinsam mit Putin.