Die deutschen Grünen würden sich gegen den Vergleich mit US-Präsident Donald Trump verwahren und wenden doch die gleichen machtpolitischen Methoden an, die sie bei ihm kritisieren. Trump hat sich den Staat zur Beute gemacht und dessen Institutionen seinen politischen Zielen unterworfen. Beliebtes Beispiel ist die – allerdings völlig legale – Besetzung des Höchsten US-Bundesgerichts mit konservativen Richtern, die nun seine exekutive Macht flankieren.

Was die Grünen derzeit mit der Festschreibung des Ziels der deutschen Klimaneutralität im Jahr 2045 machen, ist nichts anderes. Sie positionieren ihre Spielsteine wie beim beliebten Brettspiel «Mühle» beiläufig an unauffälligen Ecken und überraschen dann später den unaufmerksamen oder in diesem Falle machtgierigen Gegner mit dem Schliessen der «Mühle» und einer Niederlage nach der anderen.

Im Grunde wollen die Grünen lediglich die Verwendung der halben Billion Euro Schulden auch für den Klimaschutz und die angestrebte Klimaneutralität möglich machen. Das ist dreifach clever oder ruinös, ganz nach Standpunkt. Zum einen weiss niemand genau, was Klimaneutralität sein soll: völlig CO2-freies Wirtschaften, etwas verschmutzen mit Kompensationszertifikaten in anderen Teilen der Welt oder mit gleichzeitigem Aufforsten oder CO2 aus nachwachsenden Rohstoffen? Keiner weiss es.

Fakt ist, dass die windige Formulierung für klagefreudige Aktivisten-Organisationen eine Bomben-Vorlage ist, immer wieder in den laufenden Politikbetrieb reinzugrätschen und hin und wieder einen Wirkungstreffer für mehr Klimaschutz und weniger Wachstum zu erreichen.

Zum Zweiten ist Klimaschutz keine Wertschöpfung, also auch keine Investition im klassischen Sinne, die absehbar Erträge abwirft und die Schulden refinanziert. Steuerzahlergeld für die ökologische Weltrevolution.

Und drittens, das ist am verhängnisvollsten, nimmt die Zweckbindung der Schulden für die «Klimaneutralität bis 2045» den künftigen Generationen massiv Spielräume bei der Rückzahlung. Auch wenn es nicht explizit wie ein Staatsziel formuliert ist, kann und wird die Passage künftig doch so gelesen und ausgelegt werden, dass staatliche Investitionen an diesem Ziel gemessen und gegebenenfalls untersagt werden können. Das Bundesverfassungsgericht hat schon einmal im Jahr 2021 einer Klage gegen das Klimaschutzgesetz stattgegeben und die Politik zu ambitionierterem Klimaschutz mit konkreten Zielen verdonnert. Auch wenn die Grünen nicht regieren, ihre oft auch noch staatlich alimentierte NGO-Armada steht wachsam bereit, die «Mühle» im passenden Augenblick dichtzumachen.

Ob und wie realistisch die Klimaneutralität bis 2045 ist, das interessiert freilich niemanden mehr. Die Deutschen sind seit langem gemeinsam mit der EU dazu übergegangen, die Zukunft einfach zu beschliessen, wie das Atom-, das Kohle- oder das Verbrenner-Aus. Im Jahr 2023 stammten knapp 36 Prozent des deutschen Primärenergieverbrauchs aus Mineralöl, 24,5 Prozent aus Erdgas, 8,5 Prozent aus Braunkohle, 8,7 Prozent aus Steinkohle und lediglich 19,6 Prozent aus erneuerbaren Energien. Aber wird schon. Steht ja im Grundgesetz. Es grünt so grün, wenn Merz’ Blüten blühen …

Ralf Schuler war mehr als zehn Jahre Leiter der Parlamentsredaktion von Bild und ist Politikchef des Nachrichtenportals NIUS. Er betreibt den Interview-Kanal «Schuler! Fragen, was ist». Sein neues Buch „Der Siegeszug der Populisten. Warum die etablierten Parteien die Bürger verloren haben. Analyse eines Demokratieversagens“ ist im Fontis Verlag, Basel erschienen.