Beim Tele-Züri-«Sonntalk» vom 11. Februar 2024 wurde über die Erbsteuer-Initiative der Juso diskutiert, die auf Erbschaften über 50 Millionen Franken eine Steuer von 50 Prozent fordert. Der Grüne-Nationalrat Bastien Girod stellte sich mit Begeisterung hinter diese Initiative. Es war ihm offensichtlich egal, dass davon auch viele Schweizer Unternehmen betroffen würden, deren Erben Firmenanteile verkaufen müssten, um diese Steuern zu bezahlen. Das Ende vieler Schweizer Familienunternehmen wäre absehbar.

Unsere Mittelstandsunternehmen sitzen selten auf Millionenbeträgen an überschüssigen liquiden Mitteln, um Erbschaftssteuern zu bezahlen, sondern benötigen diese für ihre Geschäftstätigkeit. Bei börsenkotierten Unternehmen ist eine Veräusserung von Aktien eher zu bewältigen, wobei diese dann oft ins Ausland gehen. Anteile an Privatunternehmen lassen sich hingegen nicht oder nur mit Preisabschlägen veräussern.

Aber Girod kennt die Lösung: Die Erben müssten sich eben verschulden oder mit Stiftungen zusammenarbeiten. Wie Letzteres funktionieren soll, bleibt sein Geheimnis. Banken gewähren meistens nur gegen Sicherheiten Kredite, und die Erben müssten dafür selbstverständlich Zinsen bezahlen. Sie werden gezwungen, für die Zinszahlungen regelmässig Gelder aus ihren Unternehmen abzuziehen, die dann für Investitionen und Innovationen fehlen.

Die aus der Erbschaftssteuer resultierenden Erträge sollen in die Finanzierung eines sozial gerechten ökologischen Umbaus fliessen. Dass Girod von solchen Ideen begeistert ist, verwundert nicht, denn er war ja ab 2018 während fünf Jahren selbst in leitender Stellung bei einem Unternehmen tätig, das solche Ziele verfolgte. Als Nachhaltigkeits-Experte leitete Girod den Bereich Umwelt-Innovation von South Pole. Er und sein Team halfen Firmen in der Region Deutschland-Österreich-Schweiz, einen Beitrag zu einer nachhaltigen und CO2-freien Wirtschaft zu leisten. South Pole verkaufte Millionen von CO2-Zertifikaten an Firmen wie Gucci, Volkswagen oder Nestlé. Diese konnten sich dann im Gegenzug mit Labels wie «klimaneutral» schmücken. Das Geld sollte in Projekte fliessen, die die CO2-Emissionen der Zertifikatskäufer kompensieren. Eines der weltgrössten dieser Projekte war das Kariba-REDD+-CO2-Kompensations-Projekt in Simbabwe, mit dem die Abholzung von Wäldern verhindert werden sollte.

Aber im November 2023 hat Girod South Pole fluchtartig verlassen, nachdem Berichte über Unregelmässigkeiten bei diesem Vorzeigeprojekt in den Medien auftauchten. Auch CEO Renat Heuberger zog sich zurück. Der Vorwurf: Es seien für Millionenbeträge wertlose CO2-Zertifikate verhökert worden. In einem mehrseitigen Bericht im renommierten Magazin The New Yorker vom 16. Oktober 2023 werden diese Vorgänge detailliert beschrieben. Wenn auch nur ein Teil davon der Wahrheit entspricht, dann besteht Klärungsbedarf, denn als prominentes Aushängeschild hat Girod mitgeholfen, South Pole zum angeblich weltweit führenden Unternehmen für den Handel mit Klimazertifikaten aufzubauen. South Pole galt mit 1200 Mitarbeitern in dreissig Ländern noch vor kurzem als «Unicorn», als Unternehmen mit einem Unternehmenswert von einer Milliarde Dollar oder mehr.

Nicht «Klimaleugner», sondern Umwelt-NGOs, der britische Guardian und andere Medien oder das Recherchekollektiv «Follow the Money» behaupten, es seien viel mehr Zertifikate verkauft worden, als damit CO2- Ausstoss reduziert würde. Wissenschafter wie Elias Ayrey von der unabhängigen Rating-Agentur Renoster gehen von bis zu Faktor dreissig aus. «Follow the Money» stützte sich auf eine interne Analyse von South Pole aus dem Jahr 2022, in der berechnet wurde, dass rund 60 Prozent der generierten Zertifikate und rund ein Drittel der verkauften Zertifikate keine zusätzliche Wirkung fürs Klima gehabt hätten.

Verra, eine in Washington ansässige führende Zertifizierungsstelle für CO2-Zertifikate, hat unlängst eine Untersuchung gegen das Waldschutzprojekt Kariba in Simbabwe eingeleitet. South Pole versuchte die Schuld für das Desaster auf den lokalen Geschäftspartner in Simbabwe abzuschieben und die Vorwürfe mit angeblichen Methodenunterschieden zwischen South Pole und der Zertifizierungsstelle Verra zu entkräften. Noch am 15. Juli 2023 bestritt Girod gegenüber der Tages-Anzeiger-Redaktion, dass South Pole wertlose Zertifikate verkauft habe.

Gelder wurden gemäss New Yorker auf illegalen, verschlungenen Wegen letztlich in Steuerparadiese verschoben. Auch wenn die Unschuldsvermutung gilt und South Pole die Vorwürfe bestreitet, so stellen sich doch viele unangenehme Fragen. In welche Säcke sind die Millionenerlöse aus dem CO2-Zertifikate-Verkauf geflossen? Wo können die Vorwürfe gerichtlich eingeklagt werden, und erhalten die Käufer von ungedeckten CO2-Zertifikaten ihr Geld je wieder zurück? Welche Vorsichtsmassnahmen hat South Pole bezüglich Geldwäscherei getroffen, um illegale Geldströme und Steuerhinterziehung zu verhindern? Sind die Zertifikate tatsächlich weitgehend wertlos, und wurden sie dennoch wissentlich verkauft? Trifft es zu, dass CO2-Zertifikate nicht nur vermittelt, sondern zu Spottpreisen auf eigene Rechnung erworben und dann mit horrenden Gewinnmargen weiterverkauft wurden? Warum bleiben Schweizer Behörden untätig?

Der Grüne-Nationalrat Girod gehört bekanntlich zu jenen links-grünen Politikern, die den Schweizer Grosskonzernen immer wieder Intransparenz in Sachen Manager- und Verwaltungsratslöhnen vorwerfen. Wer allerdings auf der Homepage von South Pole einen öffentlich zugänglichen Finanzbericht sucht, aus dem er die Geschäftszahlen und Angaben über die Vergütungen an Verwaltungsräte, Geschäftsleitungsmitglieder und die Gewinnausschüttungen an die Aktionäre entnehmen könnte, wird nicht fündig.