22 Jahre Gefängnis. Das Urteil für den Anführer der «Proud Boys», Enrique Tarrio, für seine Rolle beim Sturm auf das Kapitol am 6. Januar 2021 löste selbst bei Hartgesottenen gerüttelt Mass an Beklommenheit aus.

In einen orangefarbenen Gefängnisanzug gekleidet, entschuldigte sich der Kubano-Amerikaner aus Florida bei den Beamten, die während des Aufruhrs im Einsatz standen.

Tarrios Verteidiger argumentierten, der Beschuldigte sei ein «fehlgeleiteter Patriot» und kein Terrorist. Tarrio selbst behauptete, er habe wirklich geglaubt, die Präsidentschaftswahlen seien gestohlen worden, wie Trump bis heute behauptet.

Tarrio bat Richter Timothy Kelly um Gnade.

«Heute stehe ich als ein anderer Mensch vor Ihnen … Ich möchte mein Lebensziel neu ausrichten … Ich möchte wieder in meine örtliche Kirche eintreten und aktiv dazu beitragen, anderen zu helfen», sagte Tarrio. «Ich hoffe, dass Euer Ehren die Aufrichtigkeit hören können … Bitte zeigen Sie mir Gnade».

Richter Kelly liess sich nicht besänftigen. Tarrio sei «der ultimative Anführer dieser Verschwörung», und er sprach die längste Strafe aller bisher für die Ereignisse vom 6. Januar 2021 Verurteilten.

Über den Kapitol-Sturm sagte Kelly: «Dieser Tag brach unsere bis dahin eiserne Tradition der friedlichen Machtübergabe, die wahrlich zu den wertvollsten Dingen gehört, die wir als Amerikaner haben.»

Doch wie konnte es überhaupt dazu kommen?

Tage vor dem 6. Januar lagen den Sicherheitskräften und Behörden deutliche Anzeichen für den Sturm vor.

Was tat die Bürgermeisterin von Washington? Was unternahm die Kapitols-Polizei?

Nichts. Sie schlugen die Warnungen in den Wind.

Das FBI und das Heimatschutzministerium haben vor dem Angriff «eine grosse Menge an nachrichtendienstlichen Informationen» heruntergespielt oder ignoriert, so der Vorsitzende eines Senatsausschusses in einem Bericht über die nachrichtendienstlichen Versäumnisse im Vorfeld des Aufstands, der im Juni veröffentlicht wurde.

Justiz und Medien haben den «Drahtzieher» gefunden und im Gefängnis verlocht. Werden die Behörden, die ihre Pflicht sträflich ignorierten, nun auch zur Rechenschaft gezogen?