Zensur ist ein hässliches Wort, besonders in Demokratien. Es darf sie eigentlich nicht geben.
Zensur bedeutet, dass die Meinungsbildung manipuliert wird, indem bestimmte Informationen unterdrückt werden.

In den letzten drei Corona-Jahren wurden millionenfach Postings auf sozialen Plattformen heruntergedimmt, leisegedreht, gelöscht.

Die Twitter-Files belegen nun: Das geschah oft auf Betreiben von staatlichen Stellen, wie CIA und FBI, von Seiten der US-Regierung sowie von Impfstoff-Hersteller Pfizer. Wer genügend Macht besass, konnte soziale Medien zu seinen Gunsten kalibrieren und damit den Verlauf der öffentlichen Debatte steuern.
Freier Meinungs-Wettbewerb: Fehlanzeige. Roter Teppich dagegen für das offizielle Regierungs-Narrativ. Der Medien-Mainstream war während der Pandemie ohnehin auf Regierungslinie und ein Totalausfall.
Seit Elon Musk den Kurznachrichtendienst Twitter übernommen hat, lässt er interne Dokumente über freie Autoren veröffentlichen, die auf der Newsletter-Plattform Substack schreiben: Matt Taibbi, Bari Weiss, Alex Berenson, Michael Shellenberger und andere.

Die Veröffentlichungen zeigen zunehmend das ganze verheerende Bild für die Meinungsfreiheit und sind damit Zeitdokumente von grösster Wichtigkeit. Sie sind ein Lehrstück darüber, wie man aus einem fliessenden Gewässer einen toten Tümpel machen und die Öffentlichkeit glauben lassen kann, man habe dabei etwas für den Gewässerschutz getan.

Die Liste der Skandale ist lang. Offiziell liessen die Big-Tech-Giganten verlautbaren, sie löschten nur Informationen, die medizinische Falschaussagen beinhalteten, was letztlich darauf hinaus lief, die WHO darüber entscheiden zu lassen, was der wissenschaftliche Stand der Dinge ist. Schon dies war eine totale Umkehrung des Grundgedankens von Wissenschaft, die Ersetzung von Diskurs durch Dogma, von Wahrheitssuche durch das Narrativ einer zweifelhaften, vielfach beeinflussten globalen Pseudo-Autorität.

Elon Musk selbst sagt nun über das Agieren von Twitter: «Im Grunde ist jede Verschwörungstheorie wahr geworden.»

Denn jetzt zeigt sich: Das Ausmass der Löschungen ist viel grösser. CIA, FBI und andere Regierungsstellen sendeten demnach regelmässig Anträge zur Löschung von Tweets oder Accounts, hakten nach, verliehen ihren Forderungen Nachdruck.

Bei dem ersten Treffen von Twitter-Verantwortlichen mit der Biden-Regierung wurde explizit gefordert, gegen «Impfgegner» vorzugehen, während Biden selbst nachweislich Falsch-Informationen darüber verbreitete, dass die Impfung vor Ansteckung schütze. Explizit forderte und erreichte die Biden-Regierung die Löschung des Accounts von Alex Berenson, einem ehemaligen Reporter für die New York Times.

 

Auch die Ansichten von Experten wurden unterdrückt und manipuliert. Das betraf sogar fachlich richtige Informationen, die schlicht einfach nicht auf Regierungslinie lagen. So wurde ein Tweet des Harvard-Epidemiologen Martin Kulldorff als «irreführend» bezeichnet und stumm gestellt, in welchem dieser die Notwendigkeit der Impfung für bereits durch Ansteckung Immunisierte in Frage stellte. Der Account des Stanford-Medizinprofessors Jay Bhattacharya kam unbemerkt auf eine schwarze Liste, die verhinderte, dass seine Tweets für ein grösseres Publikum sichtbar werden. Er hatte auf die Schädlichkeit von Lockdowns für Kinder hingewiesen. Zugleich lagerte Twitter einen Teil der Inhalts-Moderation an billige Subunternehmer auf den Philippinen aus.

Twitter handelte quasi wie eine Unterbehörde des US-Sicherheits-Apparats und von Grosskonzernen. Regierungsstellen sendeten Anfragen und diese wurden in der Regel lautlos umgesetzt. Als Entschädigung für die vielen Anfragen zahlte das FBI an Twitter sogar 3,5 Millionen Dollar.

 

Braucht es noch mehr Beweise für staatlich betriebene und bezahlte Zensur? Auch Facebook löschte Inhalte, die inhaltlich wahr waren, aber Zurückhaltung gegenüber den Vakzinen hervorrufen hätten können.

Auf die Twitter-Files könnten bald Facebook-Files, Google-Files und so weiter folgen. All das zeigt: Es ging nie wirklich um Falschinformationen. Es ging darum, ein fixes Narrativ durchzubringen, und zwar: ohne Rücksicht auf Verluste. Soziale Medien als Handlanger der Mächtigen.

Besonders pikant ist der Einfluss des Impfstoff-Herstellers Pfizer auf Twitter: So verlangte Pfizer-Vorstandsmitglied Scott Gottlieb von Twitter das Vorgehen gegen einen Tweet, welcher den Absatz der Impfstoffe für Pfizer hätte gefährden können, wenn dieser «viral» ginge. Der Tweet verwies auf den Stand der Wissenschaft, dass natürliche Immunität der durch Impfstoffe erworbenen Immunität weit überlegen sei.

Verfasser des Tweets war der ehemalige Leiter der US-Arzneimittel-Zulassungsbehörde FDA und ehemalige WHO-Vorstand Brett Giroir. Gottlieb war vor seinem Pfizer-Engagement ebenfalls Leiter der FDA. Twitter versah den Tweet Giroirs mit dem Hinweis «irreführend», obwohl mehrere Studien die inhaltliche Richtigkeit belegen. Wer verdreht hier also die Wahrheit in wessen Sinn?

Meinungsfreiheit ist das Recht, eine Meinung zu äussern, auch wenn sie anderen missfällt. Bei Gefallen bräuchte es ja kein Recht dazu. Misst man den Grad der Meinungsfreiheit an diesem Massstab, leben wir weit entfernt von einem realen und tragenden Verfassungsgrundsatz. Erst in der Stunde der Bewährung, also wenn Aussagen den Mächtigsten der Welt missfallen, zeigt sich, ob diese Freiheit tatsächlich existiert.

Die Twitter-Files belegen: Zensur ist real, Regierungen und Unternehmen manipulieren die freie Meinungsbildung. Im Fall der Löschung von Artikeln zum Laptop von Hunter Biden, welches, wie wir heute wissen, Unmengen an kompromittierendem Material enthält, hatte die Zensurpraxis sogar Einfluss auf den Ausgang der letzten Präsidentschaftswahl.

Die Twitter-Files zeigen schonungslose das Bild der aktuellen Manipulation der Öffentlichkeit. Insbesondere räumen sie mit der Vorstellung auf, es gäbe doch gar keine Zensur im tatsächlichen Sinne, da hier doch private Unternehmen aus freien Stücken ihre Nutzungsbedingungen durchsetzen, quasi ihr Hausrecht. Die Welle der letzten Veröffentlichung zeigt den Durchgriff von Regierungsstellen und Unternehmen. Diese monopolisierten den Debattenraum bei politischen Fragen von höchster Wichtigkeit zu ihren Gunsten.

Die Aufarbeitung hat gerade erst begonnen. Wie tief reicht der Sumpf? Mit Spannung werden die Fauci-Files erwartet, die Musk bereits angekündigt hat. Fauci ist eine der Schlüsselfiguren der Pandemie und höchstbezahlter Staatsdiener der USA. Schon Jahre vor Corona hat er den Ausbruch einer «überraschenden» Pandemie angekündigt und zuletzt den Kongress über Gain-of-Function-Forschung belogen.

Ein besonderer Bumerang sind die Twitter-Files schon jetzt für den Medien-Mainstream, der dieses Thema bisher verständlicherweise anfasst, als wäre es eine heisse Kartoffel. Die Veröffentlichungen beweisen, wie die Medien ein offizielles Narrativ verteidigten, indem sie Dogmenbildung förderten und Sprech-Tabus proklamierten.

Die grosse Zeitenwende im Medienbetrieb rückt damit näher. Die Twitter-Files sind der Sprengsatz für die Echokammer des Mainstreams.

Milosz Matuschek ist Weltwoche-Kolumnist und Herausgeber von www.freischwebende-intelligenz.org. Zuletzt veröffentlichte er den Spiegel-Bestseller «Wenn’s keiner sagt, sag ich’s» (Fifty-Fifty, 2022).